Das Thema Wohnen war im Wahlkampf zur Bundestagswahl präsent wie lange nicht. Kein Wunder, bezahlbares Wohnen ist für viele Menschen in Deutschland ein zentrales Thema. Der Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung hat sich für den Wohnungsbau entsprechend ehrgeizige Ziele gesetzt. 400.00 Wohnungen, davon 100.000 öffentlich gefördert, sollen jährlich entstehen. Eine „neue Dynamik“ versprechen sich die Koalitionspartner durch die Einführung einer neuen Wohngemeinnützigkeit mit steuerlicher Förderung und Investitions-
zulagen. 32 Jahre nach der Abschaffung der Gemeinnützigkeit steht nun also ein neues Wohnungsgemeinnützigkeitgesetz auf der politischen Agenda.
Die Mehrheit der Verbandsmitglieder hat ihre Wurzeln in der Gemeinnützigkeit. Die zentrale Frage lautet aus ihrer Perspektive: Brauchen wir wieder eine Gemeinnützigkeit?
Zu einem besseren Verständnis des komplexen Themas kommt man um einen Blick in die Vergangenheit nicht herum.
Wohnungsgemeinnützigkeit – Eine Zeitreise
Die Wohnungsgemeinnützigkeit hat ihren Ursprung im späten 19. Jahrhundert. Die verschiedenen Landes- und Reichsgesetze legten damals unterschiedliche Kriterien für die Gemeinnützigkeit fest. Auch die staatlichen Förderinstrumente waren nicht einheitlich organisiert. Erst 1930 wurde eine einheitliche Regelung gefunden. Das dritte Kapitel des siebten Teils der Notverordnung vom 1. Dezember 1930 behandelte die „Gemein-
nützigkeit von Wohnungsunternehmen“. Wichtig war hier, dass die Genossenschaften den anderen Rechtsformen wie AGs und GmbHs gleichgestellt wurden. Die Renditeobergrenze wurde auf fünf Prozent festgelegt. Im Juli 1933 veränderte das „Gesetz zur Sicherung der Gemeinnützigkeit im Wohnungswesen“ die Gemeinnützigkeitsverordnung von 1930 in einem wichtigen Punkt. Nun wurde die Baupflicht als Grundlage der Gemeinnützigkeit eingeführt. Am 29. Februar 1940 wurde das Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz (WGG) erlassen. Die Baupflicht wurde bekräftigt, allerdings um die Möglichkeit erweitert, dass Unternehmen die Bautätigkeit aussetzen konnten, wenn ihnen keine finanziellen Mittel für weitere Bauten zur Verfügung standen.
In der Nachkriegszeit spielten die gemeinnützigen Wohnungsunternehmen eine wichtige Rolle für den Wiederaufbau. Die Mehrheit der deutschen Sozialwohnungen (ca. 60 Prozent) wurde von den gemeinnützigen Wohnungsunternehmen gebaut. Dadurch hatten diese Wohnungsunternehmen mit insgesamt 3,3 Mio. Wohnungen eine große Bedeutung für die Wohnungsmärkte.
Die Grundidee des Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetzes bestand darin, diejenigen Wohnungsunternehmen, die in sozialer Verantwortung auf einen Teil ihrer Rendite verzichteten, staatlicherseits besonders zu fördern. Eines der wichtigsten Förderinstrumente des Staates für die gemeinnützige Wohnungswirtschaft war die Steuerbefreiung. Damit war es den Unternehmen möglich, kostengünstigere Wohnungen zu bauen. Die Steuerbefreiung hatte allerdings eine Kehrseite. So waren gemeinnützige Wohnungsunternehmen von vielen staatlichen Förderaktivitäten ausgeschlossen. Ein weiterer Nachteil des Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetzes war, dass der Geschäftskreis der gemeinnützigen Wohnungsunternehmen auf den Wohnungsbau eingeengt wurde.
Gründerzentrum der Sozialbau Kempten im Allgäu. Ohne die unternehmerische Freiheit nach der Abschaffung der Wohnungsgemeinnützigkeit wären solche Projekte nicht möglich.
Merkmale der Wohnungsgemeinnützigkeit
Die gemeinnützige Wohnungswirtschaft ist ein besonderer Unternehmenstypus, der seit mehr als 100 Jahren existiert. Wohnungsunternehmen haben sich bis weit in die erste Hälfte des letzten Jahrhunderts hinein wirtschaftliche und soziale Bindungen und Beschränkungen auferlegt mit dem Ziel, die Wohnversorgung breiter Schichten der Bevölkerung zu verbessern. Diese wurden später im Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz festgeschrieben.
- Orientierung nicht am Gewinn, sondern am Kostendeckungsprinzip (Kostenmiete)
- Begrenzung der Ausschüttungen an die Gesellschafter
- Bauen für breite Schichten, insbesondere für Haushalte, die sich nicht aus eigener Kraft am Markt versorgen können
- Baupflicht: Re-Investition von Gewinnen in den Wohnungsbau
- begrenztes Geschäftsfeld, sowohl räumlich als auch vom Aufgabenprofil
- Prüfungspflicht auch für Kapitalgesellschaften
Im Februar 1982 veröffentlichte das Nachrichtenmagazin Der Spiegel als Titelthema einen Beitrag, der die Geschäfte des Vorsitzenden der Neuen Heimat, Albert Vietor, offenlegte. Kritisiert wurden unter anderem Grundstücksspekulationen, teure Wohnungsbauprojekte im Ausland und fragwürdige Geschäftsmodelle beim Verkauf von Fernwärme an die Mieter über Drittfirmen. Die Neue Heimat, das Wohnungsunternehmen des Deutschen Gewerkschaftsbundes DGB, war mit einem Bestand von 400.000 Wohnungen das größte gemeinnützige Wohnungsunternehmen Deutschlands. Die Skandale um die Neue Heimat hatten wesentlichen Einfluss auf den Bestand des Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetzes. In der Öffentlichkeit und in der Politik wurde argumentiert, dass ein Gesetz, das solche Fehlentwicklungen zulässt, abgeschafft werden müsse. Der Wohnungsbau stand ohnehin nicht mehr im Zentrum des öffentlichen Interesses. Zudem nahm die Bundesregierung an, dass sie durch die Abschaffung des WGG im Rahmen einer geplanten Steuerreform deutliche Steuermehreinnahmen erzielen könne. Am 3. August 1988 trat das Steuerreformgesetz 1990 in Kraft. Mit Wirkung zum 1. Januar 1990 wurde die Wohnungsgemeinnützigkeit ersatzlos gestrichen.
Der VdW Bayern und seine Mitgliedsunternehmen hatten sich stark für die Beibehaltung der Wohnungsgemeinnützigkeit eingesetzt. Ihnen ging es vor allem um die Fortsetzung der Wohnraumversorgung für sozial schwächere Mitbürger. Doch unabhängig von den gesetzlichen Änderungen war klar, dass die sozialen Aufgaben der vormals gemeinnützigen Wohnungsunternehmen auch über den 1. Januar 1990 hinaus bestehen bleiben würden. Die Unternehmen mussten sich den neuen Rahmenbedingungen stellen. Zudem unterlag eine Vielzahl ihrer Wohnungen weiter der Sozialbindung. Das wichtigste Ziel, guten und bezahlbaren Wohnraum zu sichern, hatte nach wie vor Bestand. Und langsam konnten die ehemals entschiedenen Befürworter der Gemeinnützigkeit deren Abschaffung schließlich auch eine positive Seite abgewinnen. Die neuen gesetzlichen Regelungen brachten den Wohnungsunternehmen Freiräume.
32 Jahre nach dem Ende der Gemeinnützigkeit – Was wurde aus den gemeinnützigen Wohnungsunternehmen?
Die „gemeinnützigen Wohnungsunternehmen“ gibt es auch 32 Jahre nach der Abschaffung der Wohnungsgemeinnützigkeit noch. Von den 490 Mitgliedern des VdW Bayern tragen 47 Wohnungsunternehmen die „Gemeinnützigkeit“ nach wie vor in ihrer Firmierung. Aber Spaß beiseite. Das Ziel des Gesetzgebers war stets, die Versorgung breiter Bevölkerungsschichten mit angemessenem Wohnraum sicherzustellen. Dieser Aufgabe haben sich die Mitgliedsunternehmen des VdW Bayern nach wie vor verschrieben. Bei den Wohnungsgenossenschaften ist die Aufgabe klar in der Satzung geregelt. Hier heißt es meist: Zweck der Genossenschaft ist die Förderung ihrer Mitglieder vorrangig durch eine gute, sichere und sozial verantwortbare Wohnungsversorgung. Bei den kommunalen Wohnungsunternehmen ist das wichtigste Ziel eine sozial stabile Wohnungsversorgung der Bevölkerung.
Der VdW Bayern überstand die Jahre des Umbruchs ohne dass sich seine Mitgliederstruktur geändert hätte. In den Jahren vor 1990 hatte der Verband etwa 460 Mitglieder, davon waren rund 350 Genossenschaften. Nach 1990 änderte sich die Struktur nur insofern, als in den folgenden Jahren mit Genehmigung des zuständigen Ministeriums neue Kapitalgesellschaften aufgenommen wurden.
Das Kerngeschäft der Verbandsmitglieder ist unverändert. Sie sind Garanten für das bezahlbare Wohnen in Bayern. Im Jahr 2020 wurden von den Unternehmen 2,2 Mrd. Euro investiert, davon 1,35 Mrd. Euro in den Neubau. Heute bewirtschaften die sozial orientierten Wohnungsunternehmen rund 540.000 Wohnungen, der Bestand der geförderten Wohnungen liegt bei 107.000. Die Durchschnittsmiete beträgt 6,40 Euro. Auch in Deutschlands teuerstem Wohnungsmarkt, der Landeshauptstadt München, sorgen die Verbandsmitglieder mit ihren 142.000 Wohnungen und einer Durchschnittsmiete von 7,69 Euro für eine deutliche Preisdämpfung.
Von der Gemeinnützigkeit zur sozial orientierten Wohnungswirtschaft – Starke Partner der Kommunen
Die Handlungsfelder der sozial orientierten Wohnungsunternehmen haben sich in den vergangenen drei Jahrzehnten sukzessive erweitert. Ihr Leistungsangebot wäre zu Zeiten der Wohnungsgemeinnützigkeit undenkbar gewesen. Neben dem Mietwohnungsbau tragen die Wohnungsunternehmen heute mit einer ganzen Palette weiterer Leistungen wie Stadtentwicklungsmaßnahmen, aktivem Sozialmanagement, der Übernahme von sozialen Infrastrukturprojekten, Mieterstromprojekten und Mobilitätsbausteinen zu einer positiven Stadtrendite bei.
So gehören beispielsweise beim kommunalen Wohnungsunternehmen wbg Nürnberg Leistungen wie der Bau von Eigentumswohnungen im Geschäftsbereich Bauträger, der Bau von Schulen, Turnhallen und Kindertagesstätten durch das Tochterunternehmen WBG Kommunal oder die Projektentwicklung für Wohnbaugrundstücke neben dem Bau von preisgünstigen Mietwohnungen zum Portfolio.
In neuen Stadtquartieren wie dem Münchner Prinz Eugen Park sind es gerade auch Wohnungsgenossenschaften, die neue Maßstäbe setzen und die Quartiersentwicklung aktiv vorantreiben. Hier gibt es mit der GeQo eG – Genossenschaft für Quartiersorganisation eine eigene Genossenschaft, die sich um die Vernetzungsarbeit und die Beteiligung der Bewohner am Quartiersleben kümmert, Dienstleistungen wie beispielsweise die Verwaltung der Gemeinschaftsräume und den Betrieb der Quartierszentrale mit Nachbarschaftscafé, Mobilitätsstation und Concierge-Desk übernimmt. Die Bewohner profitieren vom Mobilitätskonzept, den Gemeinschaftsräumen und Kursangeboten und einer vernetzten Nachbarschaft.
Was verspricht sich die Politik von einer neuen Gemeinnützigkeit?
Die Frage, die sich aus Sicht der Wohnungswirtschaft angesichts der Pläne der Bundesregierung stellt, lautet: Was verspricht sich die Politik von einer Neuen Wohnungsgemeinnützigkeit? Erst am 2. März schrieb Bundesbauministerin Klara Geywitz auf Twitter: „Ich will ausreichend guten, bezahlbaren und lebenswerten Wohnraum in Deutschland. Dafür braucht es unter anderem mehr Geld für den sozialen Wohnungsbau, die Einführung einer neuen Wohnungsgemeinnützigkeit und mehr Bauland und kommunales Vorkaufsrecht.“
Die Punkte mehr Wohnraumfördermittel, Bauland und kommunales Vorkaufsrecht werden von der Wohnungswirtschaft unterstützt. Der VdW Bayern und der Bundesverband GdW fordern schon lange eine deutliche Erhöhung der Fördermittel und neue Wege bei der Grundstücksvergabe. Eine längere Sozialbindung wäre auch ohne Gemeinnützigkeit machbar und würde auch von der Wohnungswirtschaft unterstützt. Gerade auch vor dem Hintergrund der Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine und dem ohnehin schon angespannten Wohnungsmarkt wäre es jetzt wichtig, schnell zu handeln und auf weitere bürokratische Hürden für den Wohnungsbau zu verzichten. Planungssicherheit und Stabilität sind oberstes Gebot für den Neubaumotor.