„Wir brauchen ein modernes Erbbaurecht”
Das Thema bezahlbares Wohnen wird im kommenden Bundestagswahlkampf eine wichtige Rolle spielen. Kein Wunder. Man muss nur einmal aktuelle Immobilienanzeigen für die bayerische Landeshauptstadt München anschauen, dann wird klar, welche große gesellschaftliche Bedeutung gute, sichere und vor allem bezahlbare Wohnungen haben. „Zwei-Zimmer-Wohnung, zweiter Stock, ca. 56 Quadratmeter für 649.000 Euro” lautet beispielsweise ein aktuelles Inserat in der Immobilienbeilage der Süddeutschen Zeitung. Die Wohnung wird nicht in feinster Innenstadtlage gebaut, wie der Quadratmeterpreis von 11.500 Euro vermuten lässt. Hier handelt es sich um eine Wohnanlage im Stadtteil Neuhausen direkt an der stark befahrenen Arnulfstraße. Bleiben wir in der Arnulfstraße. Die bei Immoscout24 angebotene 98 Quadratmeter Wohnung „Erstbezug! Familienglück in Zentrumnähe + großer Balkon“ für 2.499 Kaltmiete müssen sich Familien erst einmal leisten können.
Die beiden Beispiele verdeutlichen, dass der freie Wohnungsmarkt in München und im Umland aber auch in anderen bayerischen Metropolen und Großstädten für viele Gering- und Normalverdiener unerschwinglich geworden ist. Das Marktsegment der bezahlbaren Mietwohnungen spielt für einen wachsenden Teil der Bevölkerung eine wichtige Rolle – ohne diese Wohnungen können sich viele Menschen das Wohnen in den Städten schlichtweg nicht mehr leisten.
Womit wir beim Kernthema angekommen sind. Eine zentrale Rolle bei allen Anstrengungen rund um bezahlbares Wohnen in Bayerns Städten und Gemeinden spielt der Boden, auf dem Wohnungen errichtet werden. An der hoch emotionalen Debatte über ein vermeintliches Verbot von Einfamilienhäusern durch die Partei Bündnis 90 / Die Grünen wird ersichtlich, dass die Nerven bei einigen Akteuren blank liegen. Das ist nachvollziehbar. Boden ist ein endliches Gut. In vielen Städten gibt es kaum noch freie Flächen. Hier kommt es dann auf die kommunale Bodenpolitik an. Höchstpreisprinzip zum Wohl des städtischen Haushalts oder Konzeptvergabe für das besten Modell – in diesem Spannungsverhältnis bewegen sich die Bauherren. Fakt ist: Sozial orientierte Wohnungsunternehmen kommen nur bei der Konzeptvergabe beziehungsweise einer Gemeinwohl-orientierten Bodenpolitik zum Zug – und nur dann passen die Mieten hinterher für breite Bevölkerungsschichten.
Für eine neue Bodenordnung kämpfte Münchens ehemaliger Oberbürgermeister Hans-Jochen Vogel jahrzehntelang. In seinem letzten Buch „Mehr Gerechtigkeit“ sprach sich der im Juli 2020 verstorbene Ex-Bundesbauminister dafür aus, das kommunale Eigentum an Grund und Boden für den Bereich des Wohnungsbaus kontinuierlich auszuweiten. Kommunen sollten darüber hinaus ihre Grundstücke nicht mehr verkaufen, sondern nur im Erbbraurecht zu eigenen Bedingungen weitergeben dürfen.
Eine Gemeinwohl-orientierte Bodenpolitik fordert auch die SPD in ihrem Zukunftsprogramm zur Bundestagswahl 2021. Kommunale Wohnbauflächen sollen nicht mehr veräußert, Flächen wo möglich zurück erworben werden und öffentliches Bauland nur noch auf dem Weg der Erbpacht abgegeben werden, so das Papier. Durch die Schaffung von Bodenfonds sollen Kommunen zudem ein Instrument für nachhaltige Stadtentwicklung und bezahlbaren Wohnungsbau erhalten.
Ein bundesweiter Vorreiter bei der Vergabe der städtischen Flächen ist die bayerische Landeshauptstadt München. Hier wurde der konzeptionelle Mietwohnungsbau mit einer Konzeptvergabe – übrigens eine langjährige Forderung der Wohnungswirtschaft – bereits 2013 eingeführt. Mit dem wohnungspolitischen Handlungsprogramm VI wurde zudem beschlossen, die städtischen Grundstücke nur noch in Erbpacht zu vergeben.
Andere Städte haben oder werden diese Bodenpolitik aufgreifen, um die Spekulation mit Grund und Boden zu stoppen.
Zumindest ein gewisser Teil des Baulands darf nicht dem freien Markt überlassen werden, sondern muss im Rahmen einer nachhaltigen und zukunftsorientierten Wohnungspolitik für den geförderten und damit preisgünstigen Wohnungsbau zur Verfügung stehen. Als Gegenleistung bekommen die Kommunen gutes und sicheres Wohnen für die künftigen Bewohner zu bezahlbaren Mieten.
Die Wohnungswirtschaft hat mit dem Erbbaurechtsmodell gemischte Erfahrungen gemacht. Das ursprüngliche Ziel, langfristig bezahlbares Wohnen sicherzustellen, gerät häufig in Gefahr – spätestens mit dem Auslaufen der Erbbauverträge. Das liegt an unrealistischen Renditeforderungen von Erbbaurechtsgebern, dem Einrechnen von utopischen Bodenwertsteigerungen in die Bemessungsgrundlage und vor allem an den ungerechten Regelungen im Erbbaurechtsgesetz und für den Heimfall, die den Erbbaurechtsnehmer keine Planungssicherheit einräumen. Hier brauchen wir dringend Mechanismen, die beim Auslaufen der Erbbaurechte weiterhin faire Mieten für die Menschen garantieren.
Fest steht: Der Zugang zu erschwinglichem Bauland ist ein Nadelöhr für das bezahlbare Wohnen. Nur wenn es gelingt, Grundstücke dauerhaft für bezahlbaren Wohnraum zu sichern, werden zukünftig alle Schichten der Bevölkerung gute und sichere Wohnungen in Bayerns Städten finden können. Wenn es der Politik nicht gelingt, die explodierenden Bodenpreise in den Griff zu bekommen und Grundstücke für bezahlbaren Wohnraum zu sichern, wird das Angebot an bezahlbarem Wohnraum weiter sinken.
Und zum Erbbaurecht: Wenn Kommunen sich den Zugriff auf die kommunalen Grundstücke langfristig sichern wollen und deshalb das Erbbaurecht wiederbeleben möchten, dann wird das nur mit einem modernen Erbbaurecht zum Erfolg führen. Es braucht einen neuen, fairen Interessenausgleich zwischen den Erbbaurechtsgeber und dem Erbbaurechtsnehmer. Nach 100 Jahren Erfahrung mit dem Erbbaurecht muss man es modernisieren.
Nachgefragt: Wie steht die bayerische Wohnungswirtschaft zur Bodenpolitik?
Bezahlbarer Wohnraum ist in vielen bayerischen Städten Mangelware. Die Mitgliedsunternehmen des VdW Bayern sind als Akteure für den Bau bezahlbarer Mietwohnungen derzeit sehr gefragt. Dazu kommen viele neugegründete Wohnungsunternehmen und -genossenschaften, die Neubauvorhaben planen.
Wie erlebt die Wohnungswirtschaft Bayern die Bodenpolitik und die Förderung für den Wohnungsbau? Die Redaktion hat bei den Vorsitzenden der regionalen Arbeitsgemeinschaften im VdW Bayern nachgefragt.