Das Bundesozialgericht hat mit Urteil vom 12.12.2023 (Az. B 12 R 11/21 R) zur Sozialversicherungspflicht für nebenamtliche Vorstandsmitglieder einer Genossenschaft entschieden und, soweit es dem vorliegenden Terminbericht zu entnehmen ist, seine bisherige Rechtsprechung aufgegeben. Die einzelnen Entscheidungsgründe liegen noch nicht vor. Daher können wir aktuell nur eine vorläufige Einschätzung anhand des vorliegenden Terminberichts abgeben.

Soweit es dem Terminbericht zu entnehmen ist, sieht das Bundesozialgericht nunmehr nebenamtliche Vorstände einer Genossenschaft unabhängig vom Umfang ihrer Tätigkeit und von der Übernahme einzelner “Verwaltungsaufgaben” per se in die Organisation der Genossenschaft eingebunden. Damit liege immer eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung im Sinne von § 7 Abs. 1 SGB IV vor. Eine nebenamtliche Tätigkeit als Genossenschaftsvorstand war in der Praxis bisher in zwei grundlegenden Ausprägungen denkbar:

Eine nebenamtliche Tätigkeit mit Verwaltungstätigkeit oder eine reine Organtätigkeit ohne Einbindung in die Organisation der Genossenschaft. Letztere beschränkte sich auf die Wahrnehmung der organrechtlichen Pflichten, die sich direkt aus dem Genossenschaftsgesetz und der Satzung ergeben (Teilnahme an den Vorstands- und ggf. Aufsichtsratssitzungen, der Informationsaustausch zwischen den Organen, Vorbereitung und Teilnahme an der regulären Generalversammlung).

Die sich daraus ergebenden Unterschiede waren bislang im Wesentlichen sozialversicherungsrechtlicher Natur. Nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesozialgerichts (Urteil vom 22.08.1973, Az. 12 RK 27/72) lag keine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung vor, wenn das Vorstandsmitglied ausschließlich die Pflichten aus dem Genossenschaftsgesetz und der Satzung wahrnimmt. Eine Sozialversicherungspflicht wurde nur angenommen, wenn das nebenamtliche Vorstandsmitglied auch mit Verwaltungsaufgaben betraut war (z. B. Verfassen von Schreiben an die Mieter, Durchführung mietrechtlicher Maßnahmen wie Mieterhöhungen, Modernisierungen, Abmahnungen und Kündigungen oder die Erteilung von Gestattungen usw.).

Diese Rechtsprechung hat das Bundesozialgericht nunmehr aufgegeben.

Nach aktueller Einschätzung des GdW-Fachausschusses Recht und des Arbeitgeberverbandes der deutschen Immobilienwirtschaft sollten alle von der Änderung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts betroffenen nebenamtlichen Vorstände bei der Sozialversicherung angemeldet werden. Sobald die Entscheidungsgründe im Einzelnen vorliegen, werden wir diese sorgfältig prüfen und noch einmal im Einzelnen informieren. Bis dahin halten wir es für vertretbar, mit der Anmeldung noch zu warten.

Im Fall der Anmeldung könnte es sein, dass Beiträge für vier Jahre rückwirkend nachgefordert werden. Gleiches gilt bei Beanstandung durch die Deutsche Rentenversicherung im Rahmen einer Betriebsprüfung. Die rechtliche Zulässigkeit einer solchen Nachforderung werden wir prüfen. Wir gehen jedoch davon aus, dass Beiträge für weiter zurückliegende Zeiträume nicht verlangt werden können. Schließlich hat sich der Arbeitgeber in der Regel entsprechend der bisherigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts verhalten. Für die Vergangenheit kann daher kein Vorsatz des Unternehmens hinsichtlich der unterbliebenen Anmeldung zur Sozialversicherung und der Nichtabführung von Sozialversicherungsbeiträgen angenommen werden.

Eine zeitnahe Anmeldung könnte eventuelle Säumniszuschläge auf die nachzuentrichtenden Beiträge verhindern. Säumniszuschläge stehen im Ermessen der Sozialversicherung. Mit der Anmeldung zeigt das Unternehmen, dass es sich gesetzeskonform verhalten will. Das könnte ein Argument für die Sozialversicherung sein, von der Erhebung von Säumniszuschlägen abzusehen.

Sozialversicherungsfreiheit kann nach den Ausführungen des Bundesozialgerichts im Terminbericht jedoch weiterhin bei einer ehrenamtlichen Vorstandstätigkeit bestehen. Voraussetzung hierfür ist, dass das Vorstandsmitglied lediglich eine Aufwandsentschädigung und – anders als in dem zu entscheidenden Fall – keine Vergütung erhält. Ob und wie genau das Bundessozialgericht die ehrenamtliche Tätigkeit definiert, ergibt sich ggf. aus den Entscheidungsgründen. Ein Indiz könnte die Orientierung der Aufwandsentschädigung an den gesetzlichen Ehrenamtspauschalen sein (z. B. nach § 31a BGB max. 840 EUR/Jahr).

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Anlage