Herr Hauser, die genossenschaftlichen Bauprojekte in der Schweiz genießen national und international ein hohes Ansehen. Was macht sie so besonders?
Die Frage freut mich. Der gute Ruf der Schweizer Genossenschaften liegt an ihrem menschenzentrierten Ansatz. Sie richten sich stark an den Bedürfnissen der Zielgruppen aus – sei es klassische Familien, Patchwork-Konstellationen, Senioren oder Singles. Wir schaffen Wohnraum, der nicht standardisiert ist, sondern unterschiedliche Lebensstile und Wohnformen zulässt und auch Gemeinschaftsflächen wie Cafeterien, Musikräume oder Spielplätze umfasst. Der Mensch steht im Mittelpunkt, wie es auch die „Charta“ der gemeinnützigen Wohnbauträger in der Schweiz vorschreibt.
Zudem achten wir sehr auf hohe architektonische und städtebauliche Qualität. Viele Projekte entstehen in enger Zusammenarbeit mit renommierten Architekturbüros. Genossenschaftssiedlungen werden auch immer wieder mit Preisen ausgezeichnet. Genossenschaften gehören auch zu den Pionieren im nachhaltigen Planen und Bauen. Diese Qualität können wir bieten, weil unser Ziel nicht der kurzfristige Profit ist, sondern nachhaltige, gute Lösungen.
Und nicht zuletzt ist es natürlich auch eine Frage des Geldes, die das genossenschaftliche Wohnen attraktiv macht. Die
Genossenschaften bieten Wohnungen, die deutlich günstiger als der Markt sind – im Durchschnitt 20 Prozent unter den marktüblichen Preisen.
In Bayern haben sich wegen der angespannten Lage am Wohnungsmarkt seit 2015 zahlreiche neue Genossenschaften gegründet. Gibt es auch in der Schweiz eine Renaissance dieser Rechtsform?
Nicht im selben Ausmaß. In der Schweiz genießen Genossenschaften zwar ein hohes gesellschaftliches und politisches Ansehen, aber die Unterstützung durch die Politik bleibt begrenzt. Im Prinzip herrscht der politische Grundsatz, dass der Wohnungsbau durch den Markt geregelt wird. Fördermittel sind knapp, und hohe Bodenpreise erschweren besonders kleineren Genossenschaften die Schaffung neuen Wohnraums.
Historisch gesehen gab es in der Schweiz immer wieder Phasen, in denen Genossenschaften einen Aufschwung erlebten – etwa nach den beiden Weltkriegen. Sollte sich die Wohnungsknappheit weiter verschärfen, könnten wir eine ähnliche Entwicklung sehen. Es könnte durchaus sein, dass wieder eine Renaissance der Genossenschaften kommt, wenn der Druck noch stärker wird.
In vielen deutschen Städten ist es so gut wie unmöglich, eine Genossenschaftswohnung zu bekommen. Wie verhält es sich in der Schweiz?
In den Städten ist die Nachfrage nach Wohnraum deutlich höher als das Angebot. Es ist nicht einfach, eine Genossenschaftswohnung zu finden. Deshalb ist die Transparenz über die Vermietungsprozesse und wie man bei der Wohnungssuche am besten vorgeht, ein wichtiges Thema, dem wir uns
annehmen wollen. Die beste Chance auf eine Genossenschaftswohnung hat man bei Neubauprojekten. Eine weitere Möglichkeit sind genossenschaftliche Projekte in Kleinstädten oder auf dem Land. Die Genossenschaften haben in der Schweiz einen Marktanteil von ungefähr fünf Prozent. In Städten wie Zürich liegt er bei 25 Prozent.
Wie ist es aktuell um den genossenschaftlichen Wohnungsbau in der Schweiz bestellt?
Die Genossenschaften haben, wie schon gesagt, ein hohes Ansehen in Politik und Gesellschaft. Wenn es allerdings ums Geld geht, wird es oft schwierig. Auch die Genossenschaften sind vom aktuellen Sparkurs betroffen. Bei den aktuellen politischen Kräfteverhältnissen haben es Forderungen nach einer stärkeren Förderung von Wohnbaugenossenschaften schwer. Fragen wie das Vorkaufsrecht von Grundstücken werden in bürgerlichen politischen Kreisen skeptisch betrachtet. Man möchte eine Beschneidung des Marktes vermeiden.
Welchen Weg gehen die schweizer Genossenschaften beim Klimaschutz im Wohnungsbestand?
Nachhaltigkeit ist für uns ein zentrales Anliegen. Die „Energiestrategie 2050“ der Schweiz legt fest, dass die gesamte Energieversorgung bis Mitte des Jahrhunderts auf erneuerbare Energien umgestellt wird. Wir setzen dabei auf Anreizsysteme und Fördermittel, etwa für Solaranlagen oder erneuerbare Heizsysteme. Viele Entscheidungen werden in der Schweiz jedoch auf Kantonsebene getroffen, was zu regionalen Unterschieden führt. Einige Kantone gehen sehr weit, etwa mit Verboten fossiler Heizsysteme, während andere zurückhaltender sind. Aber das Ziel ist klar: nachhaltige, klimafreundliche Wohngebäude.