WohWi im Dialog 2021 – Die Veranstaltung

„Wer nicht wagt, der nicht gewinnt“ – heißt eine alte Redensart. Sie könnte auch gut auf die Veranstaltung „WohWi im Dialog“ des VdW Bayern angewendet werden. Schließlich war es keine leichte Entscheidung, im Herbst 2021 eine dreitägige Veranstaltung für mehrere hundert Teilnehmer zu organisieren. 25 gelungene Vorträge, 250 zufriedene Teilnehmer und ca. 1.500 Espressi später steht fest, dass der VdW Bayern alles richtig gemacht hat.

Die Herbstfachtagung in Reit im Winkl findet seit den 1960er Jahren in dem bayerischen Urlaubsort statt. So lange, dass Reit schon in der Jubiläumschronik des Verbandes 2009 als „Olymp der bayerischen Wohnungswirtschaft“ bezeichnet wurde. Nachdem die Tagung im letzten Jahr Corona-bedingt auf ein Minimum zusammengeschmolzen wurde und nur ein kleiner Teilnehmerkreis vor Ort der Doppelveranstaltung aus WohWi im Dialog und Verbandstag folgen konnte, hat sich der VdW Bayern entschlossen, die Veranstaltung „WohWi im Dialog“ 2021 wieder umfassend in Präsenz anzubieten.

Und so hieß es im Herbst 2021 in München #koawiesn, aber im schönen Reit im Winkl wurde ein Festzelt neben der Festhalle aufgebaut. Dadurch konnte der VdW Bayern gewissermaßen zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Ein ausreichend großes Zelt für die Tagung mit viel Platz für alle Teilnehmern und die neu gewonnenen Partner der Wohnungswirtschaft Bayern hatten in der Festhalle eine großzügige Fläche für Stände, Baristabar und Austausch. Eine Lösung, mit der alle sehr zufrieden waren.

Im Fokus der Tagung standen die Themen Wohnen nach der Bundestagswahl, Klimaneutralität im Gebäudebereich und „einfach“ Bauen. Hauptredner am politischen Montag war der bayerische Umweltminister Thorsten Glauber. Seine Botschaft an die Wohnungswirtschaft: „Den CO2-Ausstoß im Gebäudebereich müssen wir gemeinsam angehen.“ Ohne die Wohnungswirtschaft werde der Klimaschutz in diesem Sektor nicht funktionieren. Und auch bei der Gewinnung erneuerbarer Energien sieht Glauber die Wohnungsunternehmen als wichtige Partner. Eine erfreuliche Nachricht hatte der Umweltminister auch mitgebracht: Die bayerische Staatsregierung plant aktuell ein zweites Klimaschutzgesetz mit Fördermitteln von jährlich 1,0 Mrd. Euro. Davon soll auch explizit die Wohnungswirtschaft profitieren.

Im Anschluss berichtete Prof. Hans-Martin Henning vom Fraunhofer Institut für Solare Energiesysteme über klimaneutrale Wärmeversorgung. Das Fazit des Wissenschaftlers: Gebäude und Energieversorgung werden zunehmend zusammenwachsen. Für die Wohnungswirtschaft sieht er in dieser Entwicklung Herausforderung und Chance zugleich.

Noch 7.000 Tage bis zur Klimaneutralität

Der Weg zur Klimaneutralität war auch Thema einer Podiumsdiskussion mit Umweltminister Glauber, dem Vorstand der Joseph-Stiftung Andreas F. Heipp, Prof. Henning und Verbandsdirektor Hans Maier. Gleich zu Beginn machte Moderator Alexander Heintze die Herausforderung mit einer offenen Frage an die Teilnehmer klar. „Noch 7.000 Tage bis zur angestrebten Klimaneutralität in Bayern. Das würde bedeuten, dass im Gebäudesektor jede Woche 1.250 Wohnungen energetisch saniert werden müssen. Halten Sie das für machbar?“

Für Verbandsdirektor Maier geht diese Frage noch weiter. Zum einen steht für die Wohnungswirtschaft die Herausforderung im Raum, welche Handwerksbetriebe Modernisierungen in diesem Umfang durchführen können und natürlich. Zum anderen ist die Frage aus welcher Tasche diese Investitionen letztlich bezahlt werden ein zentrales Thema. Allein die Wohnungswirtschaft Bayern verwaltet 540.000 Wohnungen, bei allen nach dem Jahr 2000 errichteten Gebäuden gebe es wahrscheinliche Handlungsbedarf. „Um sich die Dimension vor Augen zu führen: daswären rund 400.000 Wohnungen, die in den nächsten 24 Jahren angepackt werden müssten“, verdeutlichte Maier. Der Gesetzgeber habe es leider verpasst, den Einsatz von Mieterstrom praktikabel für Wohnungsunternehmen zu gestalten, kritisierte der Verbandschef. Grundsätzliche forderte er die Politik dazu auf, Farbe in Form von klaren Maßnahmen zu bekennen.

Einen Einblick in die wohnungswirtschaftliche Praxis gab Andreas F. Heipp, Vorstand der Joseph-Stiftung Bamberg. Für ihn ist das Ziel Klimaneutralität extrem ambitioniert und eine 100-prozentige Umsetzung scheint nur schwer vorstellbar. Heipp kritisierte den „Zielewettbewerb“ ohne den Unternehmen einen Weg für die Umsetzung der geplanten Vorgaben vorzugeben. „Wir müssen runter von hochakademischen Zielen. Damit blockieren wir uns nur selbst“, gab Heipp zu bedenken.

Umweltminister Glauber zeigte Verständnis für die Argumente der Wohnungswirtschaft. „Die Politik hat viele Ziele ausgerufen, aber bei den Maßnahmen ist es mau“, sagte er. In Bayern habe sich die Staatsregierung zehn konkrete Pfade zur Erreichung der Klimaneutralität vorgenommen. Einer davon sei der Wohnungsbau. Dafür müsse man sich aber auch mit ganzer Kraft für die erneuerbaren Energien einsetzen. Ein Schlüsselfeld sei eine Anpassung der Vorschriften. Man könne schlecht Wohnungsunternehmen zur Nutzung von Sonnenenergie über Photovoltaikanlagen auf den Dächern verpflichten und ihnen dann im Gegenzug über die Besteuerung dieses neuen Geschäftsfeldes ein Bein stellen. Dieser Frage müsse sich die neue Bundesregierung stellen. Bayern habe schon lange versucht eine Lösung der Mieterstrom-Problematik zu erreichen, sei damit aber bisher in Berlin gescheitert. Grundsätzlich müsse die Politik konkrete Maßnahmen vorgeben, die auch mit entsprechenden Mitteln hinterlegt sind. „Man kann schlecht ein Ziel ausgeben und dann an den Maßnahmen sparen. Das wird nicht funktionieren“, betonte der Umweltminister.

Für Prof. Henning, der auch die Bundesregierung in Klimafragen berät, ist es Zeit, Tempo zu machen. Der Weg zur Klimaneutralität sei ein Gemeinschaftswerk, das auch einen gemeinsamen Willen aller Akteure erforderlich mache. Sein Rat an die neue Bundesregierung: Ein effizienter Einsatz der Fördermittel und anstelle eines Dickichts an Regeln lieber einfache Regeln vorgeben, die auch die Freiheit für unterschiedliche Lösungsansätze lassen.

Deutschland nach der Wahl

Auch GdW-Präsident Axel Gedaschko kam bei seinem Impulsvortrag „Deutschland nach der Wahl“ schnell auf das Thema Klimaneutralität zu sprechen. „Wir brauchen zu Beginn dieser Legislaturperiode einen Realitätscheck“, sagte Gedaschko. Sonst würden die Ziele einfach fortgeschrieben und die Wahrheit bleibe auf der Strecke. Als Themen, die auf den Prüfstand gehören nannte er Energieeffizienz, Stromversorgung und Sanierungsraten im Gebäudebestand.

Für die Energieeffizienz führte der GdW-Präsident ein ernüchterndes Beispiel an. In den letzten zehn Jahren habe die Wohnungswirtschaft bundesweit 384 Mrd. Euro in die Energieeffizienz der Gebäude investiert. Klimabereinigt und quadratmeterspezifisch sei seit 2010 nichts an Energie eingespart worden. Im Gegenteil, der Energieverbrauch sei sogar noch gestiegen. Das bedeute im Umkehrschluss, dass mehr Energie benötigt wird als die Berechnungen vorsehen.

Der zweite Fakt für einen ehrlichen Realitätscheck betrifft für Gedaschko die Stromerzeugung in Deutschland. Die Versorgung mit erneuerbaren Energien sei derzeit bei weitem nicht stabil genug. Schließlich wollen die Mieter im Winter jeden Tag gewärmt werden. Außerdem müssten bei der Förderung die späteren Mieter mehr mitbedacht werden. Für einen sozialen Klimaschutz habe der GdW das Modell der Klimaplusförderung entwickelt, das maximale Mehrkosten von 50 Cent pro Quadratmeter monatlich vorsieht.

Und schließlich Realitätscheck Nummer 3: Die Renovierungsrate werde man in Deutschland nicht einfach hochschrauben können. Allein in Schleswig-Holstein fehlen rund 30.000 Handwerker. Eine Verdopplung der Sanierungsraten in Deutschland sei angesichts des „EU Rennovation Wave“, der die Nachfrage nach Handwerkern in allen Mitgliedsstaaten ansteigen lässt, illusorisch.

Als positiv bezeichnete Gedaschko den Gestaltungswillen der Ampel-Koalitionspartner. Die Wohnungswirtschaft werde ihre Forderungen im Rahmen der Koalitionsverhandlungen deutlich formulieren. Mit dem Booklet „Wohnen muss bezahlbar bleiben! Was für die kommenden vier Jahre wichtig ist“, habe man bereits einen anschaulichen Leitfaden für die Politik vorgelegt.