Seit der Europäische Gerichtshof in seinem Urteil vom 4. Juli 2019 (Az. C-377/17) entschieden hat, dass die verbindlichen Mindest- und Höchsthonorarsätze der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure gegen die EU-Dienstleistungsrichtlinie und die Niederlassungsfreiheit in der EU verstoßen, gehört der strenge Handlungsrahmen der HOAI der Vergangenheit an. Seither ließen sich die in der HOAI 2013 abgebildeten Höchst- und Mindestsätze nur noch im Wege einer zweiseitigen Vereinbarung zwischen den Parteien als Grundlage für die Honorarberechnung in dem Vertrag mit Architekten oder Ingenieuren einbeziehen.
Rasch hat der Gesetzgeber reagiert. Der Bundesrat hat am 06.11.2020 sowohl dem vom Bundestag am 08.10.2020 verabschiedeten Gesetz zur Regelung von Ingenieur- und Architektenleistungen (ArchLG) als Ermächtigungsgrundlage für die HOAI als auch der von der Bundesregierung am 15.07.2020 beschlossenen HOAI 2020/2021 zugestimmt. Die Neuregelungen treten ab 01.01.2021 in Kraft.
Im Kern wurden die HOAI so geändert, dass die Honorare für alle von ihr erfassten Leistungen künftig frei vereinbart werden können – was im Wesentlichen in den Bestimmungen der §§ 3 und 7 der neuen HOAI zum Ausdruck kommt. Gleichzeitig bleibt die HOAI 2020/2021 in ihrer Leitfunktion erhalten und ihre Honorartafeln dienen der Preisorientierung für Grundleistungen sowie fachlich zur Abgrenzung zu den besonderen Leistungen. Zusätzlich ist festlegt, dass für den Fall des Fehlens einer Vereinbarung bestimmte Sätze aus dem Orientierungsrahmen gelten sollen.
Weitere wesentliche Änderungen und Ergänzungen in der HOAI 2020/2021 sind:
- Wegfall des Inlandsbezuges in § 1
- Definition des Basishonorarsatzes in § 2a Abs. 2
- Sofern keine Vereinbarung in Textform getroffen wurde, gilt ein Zuschlag von 20 Prozent ab einem durchschnittlichen Schwierigkeitsgrad als vereinbart, § 6 Abs. 4. Allerdings können Honorarvereinbarungen auch noch nach Vertragsschluss getroffen werden.
- Textform- statt Schriftformerfordernis für Vereinbarungen und Vertragsänderungen, §§ 7 Abs. 1 und 10 Abs. 1
- Hinweispflicht auf die freie Vereinbarkeit des Honorars gegenüber Verbrauchern vor Vertragsschluss, § 7 Abs. 2
- § 15 HOAI verweist jetzt auf § 650 g Abs. 4 BGB und enthält keine eigenständige, vom BGB abweichende Fälligkeitsregelung mehr. Zwar muss die Abrechnung weiterhin prüffähig sein, eine Abrechnung „nach HOAI“ kann aber nicht mehr in jedem Fall verlangt werden. Für die Fälligkeit von Abschlagszahlungen verweist die HOAI auf § 632a BGB.
Im Übrigen wurden Bestimmungen der HOAI überall dort, wo bisher auf verbindliche Honorar-Regelungen wörtlich oder sinngemäß Bezug genommen wurde, geändert.
Entgegen der etwas unglücklich gewählten Formulierung in § 3 Abs. 1 ist die geänderte Bestimmung rein honorarmäßig gemeint und enthält keine Vorgabe zu einer (Mindest-) Leistungspflicht von Architekten oder Ingenieuren (vgl. Begründung der HOAI-Änderungsverordnung auf Seite 19).
In der Praxis dürfte die Novelle dazu führen, dass Architekten und Ingenieure mit ihren Bauherren vermehrt vereinbaren, dass die zu erbringenden Planungs- und Überwachungsleistungen zeitbasiert berechnet werden – sei es auf Stunden- oder Tagesbasis. Nach Grundleistungen und besonderen Leistungen ist dabei nicht mehr zu differenzieren, da diese honorartechnisch gleichbehandelt werden. Um im Nachhinein Streit bezüglich der Kenntnis oder Beauftragung bestimmter Einzelleistungen im Rahmen des Zeithonorars zu vermeiden, empfiehlt sich eine möglichst konkrete Benennung der einzelnen Leistungsinhalte im Planungsvertrag.
Eine andere, nun eröffnete Alternative besteht darin, ein Pauschalhonorar zu vereinbaren; allerdings empfiehlt es sich auch insofern, sehr genau zu definieren, welche Leistungen von der Pauschale umfasst werden, um kostenträchtige Nachträge zu vermeiden.