Das Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (BMWSB) und das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) haben am 13.07.2022 ein Sofortprogramm für den Gebäudesektor vorgelegt. Ziel des Programms ist es, den Gebäudesektor klimapolitisch auf Kurs zu bringen, sodass die nach dem Klimaschutzgesetz zulässigen Jahresemissionsmengen künftig eingehalten werden können und Deutschland sein nächstes Klimaziel – bis 2030 den Treibhausgasausstoß um 65 Prozent gegenüber 1990 zu mindern – erreicht. Das Programm wird nun dem Expertenrat für Klimafragen zur Stellungnahme zugeleitet. Anschließend berät die Bundesregierung über die zu ergreifenden Maßnahmen. Es steht zum jetzigen Zeitpunkt demnach noch nicht fest, welche der vorgeschlagenen Maßnahmen umgesetzt werden. Wir möchten Sie dennoch bereits jetzt über das Sofortprogramm informieren.

Die wichtigsten Maßnahmen im Detail:

Novelle des Gebäudeenergiegesetzes (GEG)
Mit der GEG-Novelle soll u. a. gesetzlich festgeschrieben werden, dass ab 1. Januar 2024 möglichst jede neu eingebaute Heizung zu 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden soll. Der Neubaustandard soll gemäß Koalitionsvertrag ab 2025 an den EH40-Standard angeglichen werden. Auf EU-Ebene wird der Vorschlag der EU-Kommission vom 15.12.2021 zu den Mindestenergieeffizienzstandards (MEPS) im Rahmen der Gebäude-Richtlinie unterstützt. Die Regelungen sollen nach Beschluss der EU-Gebäuderichtlinie noch in dieser Legislaturperiode in deutsches Recht umgesetzt werden.

Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG)
Die BEG wird die neuen Vorgaben des GEG flankieren und insbesondere bis zu deren Inkrafttreten die Marktteilnehmerinnen und Marktteilnehmer auf die ab 2024 neu geltenden EE-Wärmeanforderungen (65 Prozent EE-Wärme) an neue Heizungen effektiv vorbereiten. Richtschnur für die Neuausrichtung der BEG ist die Sicherstellung der Erreichung eines klimaneutralen Gebäudebestands ab 2045. Die derzeit existierende Sanierungsdynamik soll aufrechterhalten werden.

Richtlinie für die Förderung von Pilotprojekten der Seriellen Sanierung und flankierenden Maßnahmen (Bundesförderung Serielle Sanierung)
Bereits am 7. Mai 2021 startete das BMWK-Programm zur Förderung der Seriellen Sanierung. Die Serielle Sanierung ist eine innovative Methode zur Gebäudesanierung: Mit vorgefertigten Dach- und Fassadenelementen einschließlich damit verbundener Anlagentechnik sollen Gebäude schnell und hochwertig energetisch saniert werden. Die Maßnahme umfasst die Weiterführung des Förderprogramms.

Bundesförderung für effiziente Wärmenetze (BEW)
Die BEW setzt Anreize zur Umstellung von vorwiegend fossilen Wärmenetzen auf erneuerbare Energien und Abwärme sowie den Neubau von Wärmenetzen mit mindestens 75 Prozent an Einspeisung aus erneuerbarer Wärme und Abwärme. Ergänzend werden Einzelmaßnahmen gefördert. Um die Klimaziele zu erreichen, müssen das System der bisherigen netzgebundenen Wärmeversorgung umgebaut und vorhandene Wärmenetze auf die Nutzung erneuerbarer Wärme und unvermeidbarer Abwärme umgestellt werden.

Gesetz für kommunale Wärmeplanung
Um die kommunale Wärmeplanung (KWP) mit Blick auf die Klimaziele rechtzeitig und effektiv flächendeckend einzuführen, ist eine gesetzliche Bundesregelung notwendig. Die genaue Ausgestaltung der bundesgesetzlichen Regelung zur KWP ist derzeit noch offen.

Aufbauprogramm und Qualifikationsoffensive Wärmepumpe
Wärmepumpen sind durch ihren hohen Effizienzgrad und potenzielle Treibhausgas-Neutralität eine Schlüsseltechnologie im Wärmebereich.

Optimierung bestehender Heizungssysteme
Aktuell werden verschiedene – auch ordnungsrechtliche – Umsetzungsoptionen jenseits von Förderung erarbeitet und diskutiert. Ziel ist es, zeitnah eine Optimierung bestehender Heizungssysteme zu initiieren.

Energieeffizienzgesetz (EnEfG)
Mit dem Energieeffizienzgesetz wird erstmals ein sektorübergreifender rechtlicher Rahmen zur Steigerung der Energieeffizienz geschaffen und das Ambitionsniveau des Klimaschutzgesetzes für die Energieeffizienz festgeschrieben. Gleichzeitig sollen mit dem EnEfG wichtige Anforderungen aus der laufenden EU-EED-Novelle (Energy Efficiency Directive) national umgesetzt werden. Die daraus resultierenden Maßnahmen sollen zu erheblichen Treibhausgasminderungen im Gebäudesektor führen.

Beurteilung der Wohnungswirtschaft: Aktuelle Mangelsituation wird ausgeblendet – ambitionierte Maßnahmen brauchen Förderung

Das Programm enthält einige gute Punkte, beispielsweise eine kommunale Fernwärmeplanung, eine Bundesförderung für effiziente Wärmenetze und die Optimierung bestehender Heizungssysteme. Gleiches gilt für das Qualifizierungsprogramm Wärmepumpe und die angedachte Initiative für öffentliche Gebäude. Bei den ambitionierten Vorhaben wird jedoch die aktuelle Mangelsituation bei den notwendigen Materialien und Fachkräften für Sanierungen komplett ausgeblendet. Damit ist das Sofortprogramm mit Blick auf die Realität der vorhandenen Kapazitäten ein Vorschlag aus der Retorte. Neben dem Aufbau von Kapazitäten muss vor allem sichergestellt werden, dass die ambitionierten Maßnahmen mit ausreichend Fördermitteln durchfinanziert werden.

Fraglich ist im Sofortprogramm insbesondere, wie die geplante Wärmepumpenoffensive umgesetzt werden soll, obwohl die notwendigen Planungs- und Produktionskapazitäten derzeit nicht ausreichen. Der massive Einbau von Wärmepumpen ist jedoch die Voraussetzung für die Vorgabe, dass ab 2024 keine neuen Gasheizungen mehr zum Einsatz kommen sollen.

Das serielle Sanieren ist eine wichtige und richtige Maßnahme im Sofortprogramm, denn mit ihr lassen sich klimaschonende Sanierungen schneller und effizienter umsetzen. Die Technologie steckt allerdings noch in den Kinderschuhen. In den kommenden drei bis vier Jahren wird sich ihr Beitrag zum notwendigen Sanierungsgeschehen zunächst nur langsam von Null auf ein höheres Niveau steigern lassen.