BGH, Urteil vom 26.04.2023, Az. VIII ZR 420/21

Auch ohne besondere Vereinbarung im Mietvertrag steht dem Vermieter ein Zutritts- oder Besichtigungsrecht der Mietwohnung zu, wenn es hierfür einen konkreten sachlichen Grund gibt. Der Termin sollte mit der Mietpartei abgestimmt sein und in der Regel Montag bis einschl. Samstag zwischen 10:00 und 13:00 Uhr oder 15:00 Uhr und 18:00 Uhr liegen. Anerkannt ist zum Beispiel das Betreten, um Zählerstände von Messgeräten abzulesen, um Modernisierungsmaßnahmen bzw. Mieterhöhungen zu planen oder zur Begutachtung bei beabsichtigter Veräußerung oder Neuvermietung mit Käuferinteressenten oder Maklern.

Zum Sachverhalt:

Die Beklagte ist seit 2017 Mieterin einer Wohnung der Kläger. Der Mietvertrag enthält eine Regelung, die das Betreten der Mieträume zum Zwecke der anderweitigen Vermietung oder bei Verkauf zu verkehrsüblicher Tageszeit nach vorheriger rechtzeitiger Ankündigung an Werktagen regelt.
Die Kläger forderten die Beklagte erstmal 2019 auf, ihnen den Zutritt zu der Wohnung in Begleitung von Immobilienmaklern und Kaufinteressenten zu gestatten. Die Beklagte lehnte dies unter Verweis auf ihre schwerwiegende psychische Erkrankung ab.

Die Kläger setzten den Anspruch 2021 vor dem Amtsgericht gerichtlich durch: Der Zutritt sei den Klägern oder einer von den Klägern mit schriftlicher Bevollmächtigung ausgestatteten Person nach schriftlicher Ankündigung an einem Werktag zwischen 10:00 Uhr und 18:00 Uhr zu gewähren. Die Ankündigung soll zeitlich mindestens eine Woche vor dem Termin liegen. Das Zutrittsrecht betrifft alle Räume, sei jedoch beschränkt auf zwei Personen für die Dauer von maximal 45 Minuten.

Auf die Berufung der Beklagten hat das Landgericht nach Einholung eines psychiatrischen Sachverständigengutachtens das erstinstanzliche Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen. Gegen dieses Urteil legten wiederum die Kläger erfolgreich Revision ein. Das Urteil der 2. Instanz wird aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Aus den Gründen:

Der BGH verwies in den Gründen seiner Entscheidung das Landgericht darauf hin, dass ein Verfahrensfehler vorliege. Das vom Gericht eingeholte psychiatrische Sachverständigengutachten wurde nicht vollständig zur Kenntnis genommen und daher erfolgte keine ausreichende Auseinandersetzung zu den gesundheitlichen Auswirkungen, wenn sich die Beklagte bei der Wohnungsbesichtigung vertreten lasse. Diese Maßnahme wurde lediglich in Betracht gezogen, falls sich der gesundheitliche Zustand der Beklagten bessere, obwohl der Sachverständige ausführte, dass sich die Gesundheitsgefahren verringern lassen könnten, wenn statt der Mieterin eine Vertrauensperson anstelle von ihr an der Besichtigung teilnehme.

Ausblick:

In diesem Fall werden die entgegengesetzten Interessen von Vermietern und Mietern auf die Spitze getrieben. Aufgrund der grundrechtlich verankerten Positionen wird von den Gerichten eine Abwägung durchgeführt. Je detaillierter und aussagekräftiger der Vortrag der Parteien ist, desto umfangreicher hat auch die Beweiswürdigung auszufallen. Im Ergebnis muss die Entscheidung dem Vermieter das Zutrittsrecht zu verwehren auf eine noch tragfähigere Grundlage gestellt werden.

Es bleibt abzuwarten, wie das LG nun nach der Zurückverweisung unter dem neuen Aspekt entscheidet.

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