BGH Urteil vom 15.12.2021 VIII ZR 66/20

Die Beklagten sind Mieter einer Wohnung der Klägerin (Vermieterin). Die Vermieterin verklagte die Mieter auf Zustimmung zu einer Mieterhöhung, darum geht es vorliegend aber nicht. Mit ihrer Widerklage verlangen die beklagten Mieter Einsicht in die den Betriebskostenabrechnungen für die Jahre 2015 bis 2017 zugrundeliegenden Originalbelege da sie von der Klägerin stattdessen Belegkopien übersandt bekamen. Die Widerklage der Mieter hat in erster Instanz Erfolg gehabt. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landgericht das Urteil des Amtsgerichts abgeändert und die Klage abgewiesen. Die Revision der Beklagten (Mieter) hatte Erfolg:

Eine vom Vermieter gemäß § 556 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 1 BGB vorzunehmende Abrechnung dient dazu, die Betriebskosten des jeweiligen Abrechnungsjahrs zu erfassen, zusammenzustellen und unter Abzug der jeweils geleisteten Voraus-zahlungen auf die einzelnen Mieter zu verteilen. Die Abrechnung muss es dem Mieter ermöglichen, die zur Verteilung anstehenden Kostenpositionen zu erkennen und den auf ihn entfallenden Anteil an diesen Kosten gedanklich und rechnerisch nachzuprüfen. Dementsprechend gehört es zu einer ordnungsgemäßen Abrechnung des Vermieters, dass er im Anschluss an die Mitteilung der Abrechnung dem Mieter auf dessen Verlangen gemäß § 259 Abs. 1 Halbs. 2 BGB die Einsichtnahme in die Abrechnungsunterlagen durch deren Vorlage ermöglicht, soweit dies etwa zur sachgerechten Überprüfung der Nebenkostenabrechnung oder zur Vorbereitung etwaiger Einwendungen erforderlich ist.

Das Einsichtsrecht des Mieters bezieht sich grundsätzlich auf die Originalbelege. Das folgt bereits aus dem Wortlaut des § 259 Abs. 1 Halbs. 2 BGB. Danach hat der Rechenschaftspflichtige die Belege vorzulegen, die ihm selbst erteilt worden sind, also die Originale, während vom Rechenschaftspflichtigen gefertigte Kopien grundsätzlich nicht ausreichend sind. Zwar sind Originalbelege unter Umständen nicht nur solche in Papierform; es kann sich auch um Belege handeln, die dem Vermieter von seinen Dienstleistern ausschließlich in digitaler Form übermittelt worden sind. Vom Vermieter gefertigte Kopien sind jedoch Originalbelegen grundsätzlich nicht gleichzustellen. Dies wird auch anhand der Bestimmung des § 29 Abs. 2 Satz 1 NMV 1970 deutlich, welche – jedenfalls für preisgebundene Wohnraummietverhältnisse – ausdrücklich zwischen den “Berechnungsunterlagen”, in die Einsicht zu gewähren ist, und “Ablichtungen davon” differenziert.

Auch aus dem Normzweck des § 259 Abs. 1 BGB ergibt sich, dass sich die Vorlagepflicht auf die Originalbelege bezieht. Der Mieter soll in den Stand versetzt werden, die Ordnungsgemäßheit der Verwaltung, über die Rechenschaft abzulegen ist, zu überprüfen und – bei Missständen – Ansprüche geltend machen zu können. Zur Überprüfung der Ordnungsgemäßheit der Verwaltung, über die Rechenschaft abzulegen ist, sind in erster Linie Originalunterlagen geeignet.

Der Mieter muss kein besonderes Interesse an der Vorlage von Originalen dartun. Ein solches Erfordernis findet sich weder in § 259 Abs. 1 Halbs. 2 BGB noch in der Rechtsprechung des BGH. Der Mieter muss auch keinen begründeten Verdacht aufzeigen, die Kopien seien manipuliert oder wiesen Unstimmigkeiten auf.

Für den umgekehrten Fall, in dem der Vermieter den Mieter auf Einsicht in die Originalbelege verweisen wollte, der Mieter hingegen die Übersendung von Kopien begehrte, hat der BGH entschieden, der Vermieter habe ein berechtigtes Interesse daran, den Mieter auf die Einsichtnahme in die der Betriebskostenabrechnung zugrundeliegenden Originalbelege zu verweisen, um den durch die Anfertigung von Fotokopien entstehenden zusätzlichen Aufwand zu vermeiden und dem Mieter mögliche Unklarheiten im Gespräch sofort erläutern zu können. Denn hierdurch kann Fehlverständnissen der Abrechnung und zeitlichen Verzögerungen durch ein Verlangen des Mieters nach Übersendung weiterer Kopien von Rechnungsbelegen vorgebeugt werden.

Diese Erwägungen gelten gleichermaßen für den hier vorliegenden Fall, dass der Mieter das Angebot auf Übersendung von Kopien nicht annehmen will, sondern auf die Einsicht in Originalunterlagen besteht. Auch hier gilt, dass dadurch Fehlverständnisse der Abrechnung und zeitliche Verzögerungen infolge eines etwaigen Verlangens nach weiteren Erläuterungen vermieden werden können, was – objektiv betrachtet – auch im Interesse des Vermieters liegt.

Ebenso wie gemäß den Grundsätzen von Treu und Glauben (§ 242 BGB) ausnahmsweise ein Anspruch des Mieters auf Überlassung von Fotokopien von Rechnungsbelegen bestehen kann, kommt es nach den Grundsätzen von Treu und Glauben unter Umständen in Betracht kommen, dass sich der regelmäßig auf Einsicht in die Belegoriginale gerichtete Anspruch des Mieters auf die Zurverfügungstellung von Kopien oder Scanprodukten beschränkt. Die Frage, ob ein solcher Fall ausnahmsweise anzunehmen ist, kann nur im Einzelfall entschieden werden. Voraussetzung ist nach dem Rechtsgedanken des § 126b Satz 2 Nr. 2 BGB dabei, dass die vom Vermieter zur Verfügung gestellten Kopien geeignet sind, die dokumentierten Erklärungen unverändert wiederzugeben. Dabei gehen Zweifel an der Authentizität und Unverfälschtheit zu Lasten des Vermieters.

Ein Ausnahmefall, in dem der Vermieter nicht Einsichtnahme in die Originalbelege schuldet, kommt beispielsweise dann in Betracht, wenn der Vermieter seinerseits von seinem Dienstleister entsprechende Belege nur in digitaler Form erhalten hat. Darüber hinaus kann es im Einzelfalls sein, dass es ausnahmsweise dem Vermieter nicht zugemutet werden kann, dem Mieter Einsicht in vorhandene Originalunterlagen zu gewähren.

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