BGH Urteil vom 25.2.2022, Az. V ZR 65/21
Die Kläger und die Beklagten bilden eine Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (GdWE) einer Mehrhausanlage. Die Jahresabrechnungen hat die Verwalterin in der Vergangenheit getrennt nach Häuserkomplexen erstellt und von den Wohnungseigentümern der jeweiligen Häuser genehmigen lassen. Auch in der Versammlung vom 4. Dezember 2018, zu der lediglich die Wohnungseigentümer eines Häuserkomplexes geladen waren, hat die (Teil-) Versammlung die Jahresabrechnung für 2017 in dieser Form für ihren Häuserkomplex genehmigt.
Das Amtsgericht stellte die Nichtigkeit dieses Beschlusses mit der Begründung fest, dass es der GdWE – bzw. des zur Versammlung geladenen Teils der Eigentümer – mangels der Bildung von Untergemeinschaften an der Beschlusskompetenz für die separate Abrechnung einzelner Häuserkomplexe fehle. Wegen Herbeiführung dieses nichtigen Beschlusses und weiterer Vorwürfe, auf die wir hier nicht näher eingehen, beantragte ein Eigentümer, die Verwalterin in der Versammlung 2019 mit sofortiger Wirkung abzuberufen und die Kündigung des Verwaltervertrags aus wichtigen Gründen zum 31. Dezember 2019 zu beschließen. Dies lehnte die GdWE ab.
Mehrere Kläger haben mit ihrer Klage den ablehnenden Beschluss angefochten und zudem beantragt, den abgelehnten Beschluss durch eine in das Ermessen des Gerichts zu stellende Entscheidung dahingehend zu ersetzen, dass die Abberufung des Verwalters und Kündigung des Verwaltervertrags erfolge. Das Amtsgericht Berlin-Schöneberg hat die Anträge abgewiesen, die Berufung blieb erfolglos. Der BGH hatte über die vom Landgericht Berlin zugelassene Revision zu entscheiden:
Gemäß BGH besteht ein Anspruch des einzelnen Wohnungseigentümers auf Abberufung des Verwalters nur dann, wenn die Ablehnung der Abberufung aus objektiver Sicht „nicht vertretbar“ erscheint. Verändert hat sich die materielle Rechtslage durch das WEMoG insofern, als der Verwalter seit dem 1. Dezember 2020 jederzeit abberufen werden kann und der mit ihm geschlossene Vertrag dann spätestens sechs Monate nach der Abberufung endet; entgegenstehende Regelungen in der Gemeinschaftsordnung -bzw. im Verwaltervertrag sind mit der Gesetzesänderung unwirksam geworden. Diese jederzeitige Abberufungsmöglichkeit erfordert aber im Innenverhältnis der Eigentümer einen entsprechenden Beschluss.
Ob ein Anspruch eines Eigentümers auf entsprechende Beschlussfassung zur Abberufung des Verwalters gegeben ist, hängt davon ab, ob die Weiterbeschäftigung des Verwalters „nicht vertretbar“ ist. „Nicht vertretbar“ bedeutet allerdings nicht, dass unerfüllbare Anforderungen an den Abberufungsanspruch gestellt werden müssen; es reicht aus, wenn in der Gesamtschau nach billigem Ermessen allein die Abberufung dem Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigentümer entspricht. Ob ein Abberufungsanspruch besteht, hat der Tatrichter auch nach neuem Recht in umfassender Würdigung aller Umstände des Einzelfalles und aller gegen den Verwalter erhobenen Vorwürfe zu prüfen. Mit welchem Gewicht länger zurückliegende Geschehnisse zu berücksichtigen sind, entzieht sich dabei einer allgemeinen Betrachtung, es müsse eine Gesamtschau neuerlicher Vorfälle mit älteren Geschehnissen stattfinden.
Bei seiner Würdigung hat der Richter ferner zu berücksichtigen, dass mit dem Kriterium der „Unvertretbarkeit“ des Fortbestandes der Verwalterbestellung zum einen die Entscheidung der Mehrheit in vertretbarem Rahmen respektiert, andererseits aber auch der Minderheit Schutz geboten wird. Insofern muss bei der Würdigung aller Umstände des Einzelfalles auch jeweils der Minderheitenschutz in Blick genommen werden. Schwerwiegende Verstöße können die Unvertretbarkeit der Abberufung eher nahelegen, bei leichteren Verfehlungen kann möglicherweise eher berücksichtigt werden, in-wieweit in der Zukunft eine Besserung zu erwarten ist.
Soweit ein Verwaltervertrag befristet geschlossen und damit nicht ordentlich kündbar ist, gelten für die außerordentliche Kündigung grundsätzlich die gleichen Maßstäbe wie für den Anspruch auf Abberufung des Verwalters.
Die erforderliche umfassende Würdigung der Umstände des Einzelfalles hatte das Berufungsgericht vorliegend nicht vorgenommen, daher verwies der BGH die Sache zur erneuten Beurteilung zurück.
Zusammenfassung:
Anspruchsgegner für die Abberufung des Verwalters ist nach neuem Verfahrensrecht die GdWE.
Nach WEMoG kann der Verwalter jederzeit abberufen werden; entgegenstehende Regelungen in der Gemeinschaftsordnung sind unwirksam geworden.
Wird der Verwalter abberufen, endet der mit ihm geschlossene Vertrag spätestens sechs Monate nach der Abberufung; entgegenstehende Vereinbarungen im Verwaltervertrag sind ebenfalls unwirksam geworden. Einer außerordentlichen Kündigung des Verwaltervertrages bedarf es damit nur noch in Ausnahmefällen.
Auch nach dem seit dem 1. Dezember 2020 geltenden Wohnungseigentumsrecht besteht ein Anspruch des einzelnen Wohnungseigentümers auf Abberufung des Verwalters nur dann, wenn die Ablehnung der Abberufung aus objektiver Sicht nicht vertretbar erscheint.