BGH Urteil vom 29.9.2022, Az. VIII ZR 300/21

Der BGH stärkt Vermietern, welche zunächst gegen die Mietpreisbremse bei Wiedervermietungen verstoßen, den Rücken, sofern diese sich nachträglich mit ihrem Mieter auf eine Mieterhöhung einigen.

1. Sachverhalt

Zwischen der Beklagten und den Mietern bestand zwischen 2016 und 2020 ein Mietverhältnis über eine Wohnung, die gemäß der Berliner Mietenbegrenzungsverordnung in einem Gebiet mit angespanntem Wohnungsmarkt („Mietpreisbremse“) liegt. Die bei der Wiedervermietung der Wohnung vertraglich vereinbarte Nettokaltmiete von 7,68 €/qm lag deutlich über der gemäß der Mietpreisbremse zulässigen Miete (=ortsübliche Vergleichsmiete 6,17€/qm zzgl. 10%). Mit Schreiben vom 20. Juli 2017 verlangte die Beklagte von den Mietern die Zustimmung zu einer Erhöhung der Nettokaltmiete auf sodann 8,68 €/qm. Diesem Mieterhöhungsverlangen stimmten die Mieter am 6. September 2017 zu.

Mit Schreiben vom 2. Januar 2019 rügten die Kläger gegenüber der Beklagten einen Verstoß gegen die Vorschriften zur Begrenzung der Miethöhe (§§ 556d ff. BGB) in Bezug auf die wieder vermietete Wohnung und begehrte die Rückerstattung der über den zulässigen Höchstbetrag hinaus zu viel gezahlten Miete, die Herausgabe der anteiligen Kaution (die ja bei zu hoher Miete folglich auch zu hoch ist) sowie die Abgabe der Erklärung, dass die künftig fällig werdende Miete auf den zulässigen Höchstbetrag herabgesetzt werde. Die Klage hat in den Vorinstanzen keinen Erfolg gehabt. Das Berufungsgericht ließ die Revision zu über die der Bundesgerichtshof Ende September 2022 entschied.

2. Aus den Gründen

Das Berufungsgericht hat eine Anwendbarkeit der Vorschriften zur Begrenzung der Miethöhe und damit einen Rückzahlungsanspruch deshalb verneint, weil die beanstandete Miete nicht auf der bei Mietbeginn geschlossenen Vereinbarung, sondern auf einer nachträglichen, einvernehmlich vereinbarten Mieterhöhung beruhte, für die die Regelungen der §§ 556d ff. BGB („Mietpreisbremse“) nicht gelten. Dieser Ansicht folgte der BGH und hielt fest, dass Regelungen über die Miethöhe bei Mietbeginn in Gebieten mit angespannten Wohnungsmärkten auf eine Mieterhöhungsvereinbarung während eines laufenden Mietverhältnisses keine Anwendung finden.

Durch die Zustimmung der Mieter zu dem Mieterhöhungsbegehren der Beklagten kam eine wirksame Vereinbarung über die Erhöhung der Nettokaltmiete zustande, die den Rechtsgrund für die daraufhin jeweils erbrachten erhöhten Mietzahlungen darstellt. Die auf den Abschluss der Mieterhöhungsvereinbarung gerichteten Willenserklärungen der Parteien sind dahingehend auszulegen, dass Gegenstand der Vereinbarung nicht nur der Erhöhungsbetrag, sondern auch der neue Gesamtbetrag ist, auf den die Miete erhöht wurde.

Damit verzichten die Mieter auf ihre Rechte aus einem etwaigen Verstoß der bisherigen Miete gegen Regelungen über die “Mietpreisbremse“: Nicht der subjektive Wille der Mieter ist maßgeblich, sondern das Verständnis eines objektiven Erklärungsempfängers. Die Zustimmung des Mieters zu einem Mieterhöhungsverlangen eines Vermieters ist in der Regel nach dem objektiven Empfängerhorizont so zu verstehen, dass mit der angestrebten Mieterhöhungsvereinbarung der erhöhte Betrag als künftig zu zahlende Miete festgelegt werden soll und er sich etwaige Rechte wegen einer eventuellen Unzulässigkeit der bisherigen Miete nicht vorbehalten will und dass er die erhöhte Miete künftig als vertragsgemäß anerkennt.

Hinzu kommt im vorliegenden Fall – unabhängig davon, ob ein Verstoß gegen § 556d BGB bei Mietvertragsschluss vorlag –, dass im Zeitpunkt der Mieterhöhungsvereinbarung ein etwaiger Rückzahlungsanspruch aus § 556g Abs. 1 Satz 3 BGB wegen zu viel gezahlter Miete mangels Rüge nach § 556g Abs. 2 BGB nicht bestand, so dass die Beklagte auch hierdurch die uneingeschränkte Zustimmung der Mieter zu dem Mieterhöhungsverlangen nach objektivem Empfängerhorizont nur so verstehen konnte, dass hierdurch künftig und unabhängig von der Zulässigkeit der bisherigen Miethöhe die erhöhte Miete als vertraglich vereinbart geltend sollte.

Auch eine unmittelbare oder analoge Anwendung der Regelungen über die Mietpreisbremse direkt auf die nachträgliche Mieterhöhungsvereinbarung scheidet gemäß BGH aus, da dies dem eindeutigen gesetzgeberischen Willen widerspreche.

Fazit:

Im Jahr 2015 hielt die Beschränkung der Wiedervermietungsmiete (sogenannte „Mietpreisbremse“) mit § 556d ff BGB erstmals Einzug in das Deutsche Mietrecht und blieb zunächst weitgehend folgenlos. Seit 01.01.2019 galt sodann durch das Mietrechtsanpassungsgesetz eine „verschärfte Mietpreisbremse“. Es regelte im neu eingeführten § 556g Abs.1a BGB eine unaufgeforderte und schriftliche Auskunftspflicht des Vermieters, wenn er von einer Ausnahmeregelung nach §§°556e, 556f BGB Gebrauch macht. Seither gilt: soweit der Vermieter seiner Auskunftspflicht nicht nachkommt, kann er sich auf die Ausnahmeregelung, die ihm ein Mehr gegenüber der Grundregelung des § 556d Absatz BGB (ortsübliche Vergleichsmiete zzgl. 10 %) zu fordern erlaubt, nicht berufen. Eine weitere Verschärfung erfuhr die Mietpreisbremse mit Wirkung ab 01.04.2020. Seither können Mieter zu viel bezahlte Miete auch rückwirkend einfordern.

Die vorliegende Entscheidung des BGH erging zur ursprünglichen Fassung der Mietpreisbremse, wonach es für eine Rückforderung von Überzahlungen einer qualifizierten Rüge des Mieters bedurfte. Entsprechend der jetzt geltenden (reformierten) Rechtslage kann der Mieter aber auch für Zeiten vor einer einfachen (d.h. nicht qualifizierten) Rüge Rückzahlungen verlangen, wenn die Rüge bis 30 Monate nach Mietvertragsabschluss und vor seiner Beendigung erfolgt.

Wie verhält es sich jedoch, wenn innerhalb dieser 30-Monatsfrist eine Mieterhöhung auf die ortsübliche Vergleichsmiete stattgefunden hat? Der BGH stellt klar, dass ab der Einigung mit dem Mieter uneingeschränkt der neue Mietpreis gilt – was Wirkung auch für die neue Gesetzeslage entfaltet. Für die Zeit zwischen der Wiedervermietung einer Wohnung im Mangelgebiet und der Mieterhöhung kommt jedoch ein Rückforderungsanspruch nach §°556g BGB in Betracht.

Darüber hinaus hat das Urteil des BGH auch Folgen für die „Fehlerberichtigung“ bei formell oder materiell fehlerhaften Modernisierungsmieterhöhungen. Die Modernisierungsmieterhöhung ist kein selbstständiger Zuschlag (BGH NJW 2008, 848 = NZM 2008, 124). Anders als im Vergleichsmietenverfahren führt die Zahlung des Mieters auf eine fehlerhaft einseitige Erhöhung jedoch nicht zu einer Zustimmung zu einer vertraglichen Änderung der Miethöhe (BGH 28.9.2022 – VIII ZR 338/21, BeckRS 2022, 31482 m.w.N.). Wenn der Mieter aber später einer Mieterhöhung im Vergleichsmietenverfahren nach § 558 BGB zustimmt, dann bezieht sich diese Zustimmung auf die Gesamtmiete.

Im Sinne der Beseitigung einer unklaren Rechtslage nach einer Wiedervermietung oder Modernisierungsmieterhöhung kann sich eine rasch nachfolgende Vergleichsmietenerhöhung daher durchaus empfehlen.

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