Nach rund sechs Wochen intensiver Verhandlungen haben sich Union und SPD auf einen gemeinsamen Koalitionsvertrag verständigt. Die künftigen Regierungspartner haben am 9. April die Vereinbarung sowie erste Details zur Ressortverteilung öffentlich vorgestellt. Der Vertrag bildet die Grundlage für eine Bundesregierung, die wirtschaftliche Erneuerung und sozialen Zusammenhalt gleichermaßen in den Blick nehmen will.
Mit dem Koalitionsvertrag kündigt die neue Bundesregierung unter Kanzler Friedrich Merz einen grundlegenden Kurswechsel an. Im Ergebnis finden sich langjährige Forderungen der Wohnungswirtschaft wieder – insbesondere in den Bereichen Wohnraumförderung und Entbürokratisierung. Beim Bauen und Wohnen gibt es große Pläne. Die Wohnungswirtschaft soll entlastet, gefördert und von Bürokratie befreit werden. Was das für sozial orientierte Wohnungsunternehmen bedeutet, ist in Teilen ermutigend – bleibt aber in vielen Punkten vage. Wir haben eine erste Bewertung aus Sicht der Wohnungswirtschaft vorgenommen.
Wohnungsbau: Offensive für Tempo und Vereinfachung
Die Koalition will dem Wohnungsbau „neuen Schwung“ geben. In den ersten 100 Tagen soll ein Gesetzespaket zur Planungsbeschleunigung kommen – „ein Gesetzentwurf zur Einführung eines Wohnungsbau-Turbos“ heißt es wörtlich im Koalitionsvertrag.
Bestandteil des Bauturbos soll eine Novelle des Baugesetzbuches sein. Zur Beschleunigung von Bauverfahren sollen laut Koalitionsvertrag insbesondere folgende Hebel in Bewegung gesetzt werden: „Formalisierte Verfahren werden flexibilisiert [und] Verfahrensstufen reduziert, um Doppelprüfungen abzubauen.“
Einen höheren Stellenwert soll darüber hinaus die Entbürokratisierung erhalten. Unter anderem ist die rechtssichere Einführung eines Gebäudetyps E geplant, sowie eine unabhängige Stelle zur Kostenfolgenabschätzung bei Einführung neuer DIN-Normen. Ein wichtiger Schritt ist auch, dass Abweichungen von anerkannten Regeln der Technik künftig nicht mehr automatisch einen Baumangel begründen soll.
Angestrebt wird weiterhin, sämtliche Planungs- und Genehmigungsverfahren vollständig zu digitalisieren – auch auf Ebene der Bundesländer.
Wohnraumförderung: Neue Programme, alte Fragen
Die Förderpolitik wird neu geordnet. Die zahlreichen Förderprogramme der KfW sollen in zwei übersichtlichere Programmbereiche zusammengeführt werden: einem für Neubau und einem für Sanierung. Angekündigt wird auch, die Förderfähigkeit des EH55-Standards zeitlich befristet wieder einzuführen.
Ausdrücklich wird die Wohnungswirtschaft als Partner für mehr Wohnungsneubau in den Blick genommen. Zusätzlich zu bestehenden Fördersysteme ist ein Investitionsfonds geplant, der durch staatliche Garantien und privates Kapital insbesondere auch kommunale Wohnungsunternehmen bei der Finanzierung unterstützt. Weiterhin sollen mittels staatlicher Garantien günstigere Finanzierungsoptionen für Wohnungsunternehmen geschaffen werden. Wörtlich heißt es im Koalitionsvertrag: „Wir wollen zudem die günstigen Finanzierungskonditionen des Bundes und die Expertise der Wohnungswirtschaft für schnelles und effizientes Bauen zusammenbringen und werden daher zeitnah durch eine Beteiligung des Bundes, zum Beispiel durch Garantien, die Finanzierungskosten so senken, dass gemeinsam mit der Wohnungswirtschaft in großer Zahl Wohnungen in angespannten Wohnungsmärkten für unter 15 EUR pro Quadratmeter entstehen können.“
Besonders gefördert werden sollen künftig Vorhaben wie „Junges Wohnen“ und barrierefreier Wohnraum. Angekündigt wird auch, genossenschaftliches Wohnen weiter zu fördern – jedoch ohne konkrete Maßnahmen in den Blick zu nehmen.
Neben diesen neuen Maßnahmen ist geplant, die Mittel in den herkömmlichen Fördersystemen des sozialen Wohnungsbaus deutlich zu erhöhen – geplant ist auch, die Wohnungsgemeinnützigkeit, um weitere Investitionsmittel zu ergänzen.
Ob diese Maßnahmen angesichts steigender Baukosten und knapper Kapazitäten reicht, um den Wohnungsbau deutlich anzukurbeln, bleibt abzuwarten.
Mietrecht: Verlängerung der Bremse, Prüfauftrag für Reformen
Die Mietpreisbremse in angespannten Wohnungsmärkten wird um weitere vier Jahre verlängert, die Modernisierungsumlage überarbeitet. Die neue Regierung will dabei die Interessen von Mieter- und Vermieterseite in den Ausgleich bringen. Wörtlich heißt es: „[Wir werden] dafür Sorge tragen, dass zum einen wirtschaftliche Investitionen in die Wohnungsbestände angereizt werden und zum anderen die Bezahlbarkeit der Miete künftig besser als jetzt gewährleistet bleiben kann.“
Für Kleinmodernisierungen gilt bis Ende 2025 eine höhere Freigrenze. Möblierte Kurzzeitvermietung und Indexmieten sollen stärker reguliert werden. Eine Expertengruppe wird sich bis Ende 2026 mit der Mietrechtsmodernisierung befassen – ein Hinweis darauf, dass grundlegende Entscheidungen noch ausstehen.
Klimaschutz im Gebäudesektor: Offen für Wege, fest im Ziel
Der Gebäudesektor bleibt zentral für die Klimapolitik. Das bisherige Heizungsgesetz wird zurückgenommen. Ein neues Gebäudeenergiegesetz soll Technologieoffenheit, Versorgungssicherheit und CO₂-Einsparung vereinen. Die Förderung von Heizungsmodernisierung und energetischer Sanierung wird fortgesetzt. Die steuerliche Absetzbarkeit für Sanierungen ererbter Immobilien ist ein zusätzlicher Baustein. Die Vorgaben der EU-Gebäuderichtlinie sollen mit Augenmaß und Spielraum umgesetzt werden. Auch der Quartiersansatz wird gestärkt.
Fazit: Vieles angekündigt – die Umsetzung entscheidet
Der Koalitionsvertrag setzt auf Investitionen und Entlastung. Für die Wohnungswirtschaft bietet er in zentralen Punkten Hoffnung auf Verbesserung – etwa bei Förderstrukturen, Planungsrecht oder energetischer Sanierung. Doch viele Ankündigungen brauchen konkrete Ausgestaltung. Gerade für sozial verantwortliche Wohnungsunternehmen kommt es jetzt darauf an, wie tragfähig die Programme sind – und wie schnell sie wirken.
Der Bundesverband GdW hat bereits am 9. April eine Pressemitteilung mit einer ersten Bewertung verschickt.
Zum vorgelegten Koalitionsvertrag von Union und SPD erklärt Axel Gedaschko, Präsident des Spitzenverbandes der Wohnungswirtschaft GdW:
„Der Koalitionsvertrag ist ein riesiger Schritt nach vorne und steht für mehr und schnelleren bezahlbaren Wohnraum. Dies begrüßt der GdW ausdrücklich. Ein Beispiel für den Fokus auf preiswerten Wohnraum ist die zeitweise Wiedereinführung der Förderfähigkeit des EH-55-Standards sowie der angekündigte Bau-Turbo in den ersten 100 Tagen der neuen Legislaturperiode. Ebenso ist die Ankündigung einer generellen Überarbeitung des Baugesetzbuchs zu begrüßen. Dies wird durch die angekündigte Verschlankung des Förderwesens verstärkt. Die geplante Vereinfachung des Planungs-, Vergabe- und Umweltrechts ist ebenfalls positiv.
Sinnvoll ist insbesondere auch der geplante Investitionsfonds für den Wohnungsbau, mit dem im Zusammenspiel von öffentlichen Garantien und privatem Kapital bezahlbarer Wohnraum finanziert werden soll. Der GdW begrüßt in diesem Zusammenhang ausdrücklich, dass die wichtige Rolle der kommunalen Wohnungsunternehmen für bezahlbares Wohnen anerkannt wird. Auch das genossenschaftliche Wohnen wird weiter gefördert.
Die Finanzierungskonditionen des Bundes und die Expertise der Wohnungswirtschaft zusammenzubringen, um auf diesem Wege die Finanzierungskosten zu senken, wird sich positiv auswirken. Dieses Vorhaben entspricht der vom GdW seit langem getragenen Grundidee. Der Finanzierungsschub im Wohnungsbau wird auch dadurch intensiviert, dass er vollständig aus den EU-Beihilfevorschiften ausgenommen werden soll.
Beim Klimaschutz im Bestand durchschlägt der Koalitionsvertrag einen gordischen Knoten, indem er den Fokus von der Energieeffizienz nimmt und die CO2-Reduktion zur zentralen Steuerungsgröße erklärt. Hierdurch werden sowohl für die Mieter- als auch für die Vermieterseite dramatisch Kosten reduziert. Dies entspricht einer Kernforderung des GdW. Positiv ist auch, dass private Haushalte zu Akteuren der eigenen Energieversorgung werden sollen, um so die Energiewende bezahlbar zu machen.
Ausdrücklich zu begrüßen ist zudem, dass zu Fragen des Mietrechts eine Kommission eingesetzt werden soll. Hier wurden die Sorgen der Wohnungswirtschaft anerkannt, indem zunächst weder die Kappungsgrenzen abgesenkt noch die Länderöffnungsklausel bei der Mietpreisbremse eingeführt werden und damit kein Weg für einen Mietendeckel durch die Hintertür geebnet wird. Der GdW wird sich in der Kommission für tragfähige Lösungen einsetzen.“