Am 28. November 2024 stellte der Europäische Gerichtshof (EuGH) in der Rechtssache C-293/23 fest, die die deutsche Ausnahmeregel schaffe zusätzliche Privilegien, die die Elektrizitätsbinnenmarktrichtlinie nicht vorsehe. “Kundenanlagen”, die in der Praxis oft aus Blockheizkraftwerken und hausinternen Leitungsnetzen bestehen, seien funktional als Verteilernetze zu behandeln, sobald sie Dritte belieferten. Eine generelle Freistellung von Netz- und Entgeltpflichten verletze daher Unionsrecht. Die bislang im § 3 Nr. 24a EnWG verankerte Kundenanlage zielte darauf ab, dezentrale Quartiers- oder Campusnetze nahezu vollständig von Netzbetreiberpflichten freizustellen. Dieses Modell wird durch das EuGH-Urteil nun mittelbar auf den Prüfstand gestellt.
Der Bundesgerichtshof (BGH) griff das Urteil am 13.Mai 2025 (Az. EnVR 83/20) auf. Er wies die Rechtsbeschwerde eines Quartiersbetreibers ab und qualifizierte dessen Leitungsstruktur als reguliertes Verteilernetz, weil sie die EU-weiten Kriterien für Verteilernetze erfülle. Damit könne eine Anlage nur dann noch als Kundenanlage gelten, wenn eindeutig kein Verteilernetz im Sinne von Art. 2 Nr. 28 der EURichtlinie 2019/944 (Strombinnenmarkt-Richtlinie) vorliege.
Für Betreiber bedeutet das potentiell eine erhebliche Kosten- und Genehmigungslast. Netzentgelte, EEG- und KWK-Umlagen oder Stromsteuer, die bisher entfallen konnten, müssten künftig einkalkuliert und in Einzelfällen womöglich rückwirkend gezahlt werden. Besonders betroffen sind Wohn- und Gewerbequartiere, Industrie- und Kliniken sowie Mieterstrom- und PV-Park-Modelle, die ihre Wirtschaftlichkeit bislang auf der Privilegierung der deutschen Regelung aufbauten.
Die schriftlichen Beschlussgründe des BGH stehen noch aus. Der Gesetzgeber wird das EnWG anpassen müssen, um einen unionsrechtskonformen Rahmen für dezentrale Versorgungskonzepte zu schaffen.