Herbsttagung der Wohnungswirtschaft Bayern in Reit im Winkl

550 Anmeldungen, 40 Referentinnen und Referenten, 15 Stunden Programm und viel Sonnenschein – die Wohnungswirtschaft Bayern traf sich in Reit im Winkl zur traditionellen Fachtagung WohWi im Dialog. Trotz des milden Herbstwetters war die Stimmung bei den Teilnehmern verhalten. „Als Verband würden wir lieber andere Rekorde verkünden als unsere Spitzen-Teilnehmerzahl“, sagte der Verbandsvorsitzende Wolfgang Bonengel bei seiner Begrüßung mit Blick auf die sinkenden Baugenehmigungszahlen im Freistaat. Die Wohnbaukrise bewegt die Wohnungswirtschaft. Das spiegelte sich an den Themen der Tagung wider. Ein kleiner Einblick: Impulse für mehr Wohnungsbau, Klimapfad für den Wohnungsbestand, serielles und modulares Bauen.

Die Baukrise bewegt auch die gastgebende Gemeinde Reit im Winkl. „Eins vorweg, es geht uns gut. Wir brauchen aber dringend bezahlbare Wohnungen für Angestellte im Ort. Das Thema treibt uns um,“ informierte der Erste Bürgermeister Matthias Schlechter bei seinem Überblick. Neben der Schwierigkeit an bezahlbares Bauland zukommen, bemängelte er auch die „fehlende Elastizität“ der Behörden bei Bauvorhaben. Damit waren schon einmal zwei zentrale Themen angesprochen.

Punktlandung beim Wohnbau-Booster Bayern sorgt für knappe Fördermittel

Schwere Zeiten also für die Wohnungswirtschaft und auch für das Bayerische Bauministerium. Der Freistaat hat zwar mit 1,1 Mrd. Euro noch nie so viele Wohnraumfördermittel für den Wohnungsbau bereitgestellt wie in diesem Jahr. Doch die Mittel werden dem Bauministerium förmlich aus der Hand gerissen, berichtete Staatsminister Christian Bernreiter. Die Hoffnung der Wohnungswirtschaft auf eine Aufstockung der Mittel konnte der Bauminister nicht erfüllen. „Mehr Geld wird es nicht geben. Der Doppelhaushalt steht. So realistisch müssen wir sein“, betonte der Bauminister. Angesichts der begrenzten Fördermittel müssten in Bayern aller Wahrscheinlichkeit nach erstmals Projekte priorisiert werden. „Sie haben hier als verlässliche Partner sicher Priorität“, sagte Bernreiter zu den anwesenden Vertretern der sozial orientierten Wohnungswirtschaft. Das Ziel müsse sein, mit begrenzten Mitteln für möglichst viele Menschen über einen möglichst langen Zeitraum bezahlbaren Wohnraum zur Verfügung zu stellen. Zurecht verwies er dabei auch auf die Bundesregierung in Berlin, die dem im Koalitionsverlag festgeschriebenen Ziel von 100.000 geförderten Wohnungen jährlich zu wenige entsprechende Maßnahmen folgen ließ.

Für kostengünstigeren und schnelleren Wohnungsbau hatte der Bauminister einige Impulse mit nach Reit im Winkl gebracht. Der Freistaat habe das Ziel, eine effiziente und vereinfachte Verwaltung anzubieten, um Bauvorhaben schneller realisieren zu können. „Wir wollen das Anträge schneller bearbeitet werden und wir wollen eine Ausweitung der Verfahrensfreiheit sowie die Aufstockung von Bestandsgebäuden zu Wohnzwecken erleichtern“, sagte Bernreiter. Diese Punkte seien im Modernisierungsgesetz verankert, das dem Bayerischen Landtag aktuell vorliegt. Eine der geplanten Maßnahmen sei zudem das Stellplatzrecht mit Obergrenzen in die Hand der Kommunen zu geben. Dabei nannte er ein Negativbeispiel bei der staatlichen Wohnungsbaugesellschaft BayernHeim, die selbst bei einem Bauprojekt in Ingolstadt mit 433 Wohnungen 480 Stellplätze schaffen musste. „An dieses Thema müssen wir ran“, so der Staatsminister.

Auch beim digitalen Bauantrage gehe es in Bayern voran, 88 der 138 Baugenehmigungsbehörden sind bereits digital unterwegs. Und hier gehe es jetzt zügig weiter voran.

Da im Augenblick die Mittel für die Wohnraumförderung knapp sein, müsse man das Instrument der Abschreibungsmöglichkeiten gestalten, sagte Bernreiter mit Blick auf GdW-Präsidenten Axel Gedaschko. Er habe bei der Sonderbauministerkonferenz in Passau seine Kolleginnen und Kollegen davon überzeugen können. „Wir fordern dauerhafte Sonderabschreibungsmöglichkeiten für den Mietwohnungsbau. Und wir fordern Sonderabschreibungsmöglichkeiten für Sanierungsmaßnahmen und für selbstgenutzten Wohnraum“, erklärte der Bauminister.

Bayern habe beim Wohnungsbau gezeigt, was man alles anschieben kann. Auch die Bundesregierung könne an viel mehr Stellschrauben anpacken. Schließlich habe man eine gemeinsame Verantwortung.

Bauminister Christian Bernreiter und Moderatorin Ursula Heller. Alle Bilder: Klaus D. Wolf

Was für die Wohnungswirtschaft Bayern wichtig ist

Bezahlbare Wohnungen bauen und gleichzeitig einen klimaneutralen Gebäudebestand schaffen – vor dieser Herkulesaufgabe steht die Wohnungswirtschaft. “Im Augenblick ist die Lage für unsere Mitgliedsunternehmen schwierig“, fasst Verbandsdirektor Hans Maier zusammen. Der Wohnungsneubau gleiche einem Drama. Für die Jahre 2024 und 2025 erwartet er einen massiven Rückgang bei den Baufertigstellungen. Und die Umsetzung der Klimaschutzziele ist für den Verbandschef nur möglich, wenn eine Wende bei der Klimapolitik erfolgt.

Der Wohnungsneubau zu bezahlbaren Mieten sei ohne Fördermittel nicht mehr möglich. Durch die Wohnungsbauprogramme des Freistaats hätten die Unternehmen seit 2015 die Neubauplanungen hochgefahren und Rekordsummen investiert. Insgesamt bauten die Verbandsunternehmen seitdem mehr als 32.000 neue Wohnungen – bezahlbar und mit einem hohen Standard. Inzwischen gebe es aber einen regelrechten Wettbewerb um die knappen Fördermittel. Neben den sozial orientierten Wohnungsunternehmen würden nun auch neue Akteure mit Fördermitteln Wohnungen errichten. „Das Bauen und Verkaufen von geförderten Wohnungen darf dabei aber nicht zum Geschäftsmodell werden“, fordert Maier. Der Verband bayerischer Wohnungsunternehmen schlägt deshalb längere Belegungsbindungen für geförderte Wohnungen vor. 25 Jahre sind für geförderte Wohnungen zu kurz. „Mit längeren Bindungen bleiben die Mieten auch länger bezahlbar“, erläutert Maier. Der Verbandsdirektor appelliert darüber hinaus an den Freistaat, die Fördermittel zu erhöhen.

Angesichts enormer Kosten und knapper Mittel braucht es laut dem Verband für einen dauerhaft funktionierenden Wohnungsbau nicht nur mehr Förderung, sondern auch ausreichend bezahlbare Grundstücke, eine Bremse bei den Baukostensteigerungen, steuerliche Anreize und ein Zinsförderprogramm für bezahlbaren Wohnungsbau.

Wohnungswirtschaft fordert Wende bei der Klimapolitik

Zahlreiche Verbandsmitglieder hätten in den letzten Jahren ihren Klimapfad für die Bestandsanierung ausgearbeitet. Das ernüchternde Ergebnis: Wer keinen Zugang zu Fernwärme hat, kann derzeit weder die Vorgaben der Europäischen Kommission noch die bundesdeutschen, die bayerischen oder individuelle kommunale Klimaziele erreichen. Für die nötigen Investitionskosten fehle schlichtweg das erforderliche Eigenkapital. Deshalb fordert der Verband ein Umdenken.

„Für uns ist es ein Irrweg, mit Dichten und Dämmen besonders hohe Energieeffizienzstandards im Bestand zu erreichen“, erklärt Maier. Die knappen Mittel der Unternehmen seien hier nicht effizient eingesetzt. Die Wohnungswirtschaft fordert stattdessen bezahlbare Energieeffizienzstandards und ergänzend einen Fokus auf die Versorgung mit erneuerbaren Energien. „Das große Ziel ist die Klimaneutralität im Gebäudebestand – hierfür brauchen die Unternehmen größere Entscheidungsfreiheit. Wo grüne Energie einfach erschlossen werden können, müsse diese auch in den Fokus gestellt werden – und nicht eine überbordende und nicht mehr bezahlbare Gebäudedämmung“, so der Verbandsdirektor. Egal, ob die Unternehmen auf hohe Dämmung oder erneuerbare Energien setzen – für eine erfolgreiche Klimawende wird es über die nächsten Jahrzehnte stetige und verlässliche Förderprogramme brauchen.

Verbandsdirektor Hans Maier: Was für die Wohnungswirtschaft Bayern wichtig ist.

Zur Zukunft des bezahlbaren Wohnens in Bayern, Deutschland und Europa

Über die Zukunft des bezahlbaren Wohnens diskutierten im Anschluss Bauminister Christian Bernreiter, Christian Doleschal, Mitglied des Europäischen Parlaments, BSG-Allgäu-Vorständin Tanja Thalmeier und GdW-Präsident Axel Gedaschko.

Die EU hat einen direkten und indirekten Einfluss auf nationale Gesetze und wirkt unter anderem durch Gebäuderichtlinien, Antidiskriminierungsvorschriften in der Wohnungsbelegung, Finanzmarktregulierungen unmittelbar auf den Wohnungssektor ein. Mit Dan Jørgensen gibt es nun erstmals einen EU-Kommissar für Wohnen und Energie. „Ist das eine gute oder eine schlechte Nachricht?“, wollte Moderatorin Ursula Heller wissen. Für GdW-Präsident Axel Gedaschko steht fest: „Europa hat in vielen Politikfeldern die Kernkompetenz“. Die Schaffung eines eigenen Zuständigkeitsbereichs für den Wohnungsbau in der EU-Kommission sei deshalb eine gute Nachricht. Zwar ist der Wohnungsbau keine originäre Kompetenz der EU, sondern der Mitgliedstaaten. Gerade mit Blick auf die unglaubliche Dimension des Themas bezahlbarer Wohnraum in ganz Europa ist diese Art von Unterstützung auf europäischer Ebene aber sehr sinnvoll. Wichtig ist, dass sich die Tätigkeit des neuen Kommissionsmitglieds eben auf eine Unterstützung des Wohnungsbaus in den Mitgliedstaaten und den Regionen ausrichtet – und nicht neue Reglementierung bedeutet. Der EU-Abgeordnete Doneschal erwartet, dass das Thema Wohnen durch den neuen Kommissar ganzheitlicher angegangen wird.

Doch was sind die Stellschrauben für mehr bezahlbaren Wohnungsbau auf europäischer Ebene? Doneschal nennt vier zentrale Punkte: Die Senkung des Mehrwertsteuersatzes für Bauprodukte – das würden bereits andere europäische Länder machen, eine Verfahrensvereinfachung im Beihilferecht, eine Reform der Vorschriften beim Eigenkapital, diese sind noch geprägt von der Finanzkrise und schließlich eine Revision des Vergaberechts durch die Europäische Kommission. „Wir haben zu niedrige Schwellenwerte und sollten eine mutige Reform wagen“, betont der EU-Parlamentarier.

In die Zukunft des bezahlbaren Wohnens in Deutschland blickt GdW-Präsident Axel Gedaschko eher pessimistisch. Für den Wohnungsbau gibt es auf Bundesebene zwei Haushalte: Den Klima- und Transformationsfonds beim Wirtschaftsministerium und die Mittel für die soziale Wohnraumförderung des Bundesbauministeriums. Der Klima- und Transformationsfonds sei für die Zukunft bereits völlig überzeichnet. Und das Bundesbauministerium plane immer neue Jahrestranchen für die Wohnraumförderung. Inzwischen bis ins Jahr 2027. „Es wird zukünftig weniger Geld da sein“, sagte Gedaschko. Deshalb müsste die Förderung sinnvoller ausgerichtet werden. Weg von der die Gebäudeeffizienz, hin zum CO2-Verbrauch. „Förderung für zu teure Wohnungen ausgeben können wir uns nicht mehr leisten,“ sagte Gedaschko. Seine Devise lautet deshalb: Schwarzbrot statt Zuckerguss!

Hohe Erwartungen steckt vor allem die Bundespolitik in das serielle und modulare Bauen. Doch die bisher aufgerufenen Angebotspreise überzeugen den bayerischen Bauminister nicht. „Die Preise müssten noch weiter nach unten gehen“, sagte Bernreiter.

Er unterstützt die Wohnungswirtschaft bei der Forderung nach einfacheren Standards. Den Energieeffizienzhausstandard 55 (EH55) hält Berneiter beim Wohnungsneubau für ausreichend. Das sei auch die einhellige Meinung der Bauministerkonferenz. Entscheidend sei doch, was hinten rauskommt. Die CO2-Einsparung dürfe nicht auf das einzelne Gebäude betrachtet werden.

Podiumsdiskussion zur Zukunft des bezahlbaren Wohnens in Bayern, Deutschland und Europa

Europa, Deutschland, Bayern – wie ist die Lage im Freistaat und was fordert die Wohnungswirtschaft Bayern? „Wir brauchen vor allem politische Verlässlichkeit von allen Seiten“, sagt BSG-Allgäu Vorständin Tanja Thalmeier. Im Moment müssten Wohnungsunternehmen beim Bau von Mietwohnungen mit 18 bis Euro Miete pro Quadratmeter kalkulieren, um eine Wirtschaftlichkeit des Projekts zu erzielen. Diese Preise könnten sich die Menschen, die bei der BSG-Allgäu leben allerdings nicht leisten. Deshalb bräuchten Wohnungsunternehmen die Förderung. Denn sonst könnten aktuell keine bezahlbaren Mietwohnungen entstehen. Thalmeier zeigte sich offen für längere Bindungsfristen: „Für uns wäre es kein Problem, wenn die Bindungsfristen erst bei 40 Jahren starten.“

In der Schlussrunde zeigten sich die Teilnehmer einig, dass mehr für das bezahlbare Wohnen getan werden muss. Auf Europäischer Ebene ist die Botschaft für den neuen EU-Kommissar, Mehr Freiheiten, weniger Regulatorik. Für die kommende Bundestagswahl wünscht sich Axel Gedaschko die Devise: Weniger ist mehr. Christian Bernreiter setzt sich für den zweijährigen Vorsitz der Bauministerkonferenz das Ziel, die Prioritäten anders zu setzen. Wir nehmen das Grundrecht wohnen ins Blickfeld und ordnen diesem alles unter. Und was macht die Vorständin einer Wohnungsgenossenschaft zuversichtlich? Das Arbeiten für die sozial orientierte Wohnungswirtschaft für die Menschen macht Sinn, so Thalmeier.

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Alle Bilder: Klaus D. Wolf