Das „Gesetz zur Stärkung der genossenschaftlichen Rechtsform“ (vormaliges Eckpunktepapier zum Genossenschaftsgesetz) liegt seit den Sommermonaten als Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz der Fachöffentlichkeit vor. Inzwischen hatte es auch die Gelegenheit zu Stellungnahmen seitens der Verbände und anderen Fachkreise gegeben. Ein zentraler Punkt dieses Gesetzesvorhabens ist die Digitalisierung der internen und externen Verwaltungsabläufe einer Genossenschaft. Dies findet seinen Ausdruck darin, dass die vom bisherigen Genossenschaftsgesetz durchgehend angeordnete „Schriftform“ zukünftig zur „Textform“ herabgestuft wird. Damit entfiele die Notwendigkeit einer eigenhändigen Unterschrift bzw. einer qualifizierten elektronischen Signatur, und es würde eine verfestigte Erklärung in lesbarer, deutscher Sprache mit Erkennbarkeit des Absenders genügen. Grundlegend sieht die gesetzliche Systematik aber auch vor, dass künftig die Satzung das Erfordernis der Schriftform weiterhin festlegen kann.
Das Gesetz zur Stärkung der genossenschaftlichen Rechtsform steckt noch mitten im Gesetzgebungsverfahren, während das Vierte Bürokratieabbaugesetz inzwischen beschlossen ist. Die Änderungen müssen noch durch den Bundesrat gebilligt werden, was aber erwartet werden kann. Voraussichtliches Inkrafttreten dürfte der 1. Januar 2025 sein.
Im Bürokratieentlastungsgesetz ist das Thema einer Ersetzung der Schriftform in Textform somit nunmehr vorgezogen worden, und daher schon „Gesetz“. Dieses Vorziehen erfolgte überraschend. Es gibt zudem zwei Ergänzungen zum bisherigen Entwurf des Gesetzes zur Stärkung der genossenschaftlichen Rechtsform.
Das Bürokratieentlastungsgesetz betrifft folgende Themenbereiche:
- die Errichtung der Satzung im Gründungsstadium einer Genossenschaft und die Einreichung zum Genossenschaftsregister (§§ 5, 11 GenG),
- Beitritt, Beteiligung und Ablehnung des Beitritts, Vollmacht zum Beitritt (§§ 15 ff. GenG),
- Kündigung der Mitgliedschaft oder einzelner Geschäftsanteile (§§ 65, 67, 67a, 67b GenG)
- Stimmvollmacht (43 GenG)
In Abweichung vom Referentenentwurf zur Stärkung der genossenschaftlichen Rechtsform bringt das Vierte Bürokratieentlastungsgesetz noch die beiden folgenden Themen:
- Übertragung des Geschäftsguthabens ( 76 GenG)
- Stimmabgabe ohne Teilnahme an der Versammlung (§ 43b GenG)
In allen derzeitigen Satzungen ist hinsichtlich des Schriftformerfordernisses für die aufgezählten relevanten Themenbereiche die Schriftform vorgesehen, weil dies der bisherigen – und insoweit zwingenden – Gesetzeslage entsprach. Nachdem die neue Gesetzesfassung nun die Textform vorsieht, stellt sich die Frage, ob die Genossenschaft ab Inkrafttreten des Gesetzes auch ohne Satzungsänderung auf die Erleichterungen der neuen Fassung des Genossenschaftsgesetzes zurückgreifen kann.
Hierzu ist im 4. Bürokratieabbaugesetz eine Überleitungsvorschrift im Genossenschaftsgesetz vorgesehen, der § 177 GenG:
- Vorstand und Aufsichtsrat können für die Themen Beitritt, Vollmachtserteilung und Kündigungen festlegen, dass für eine Höchstdauer von 5 Jahren die genannten Aktionen auch in Textform zulässig sein sollen, und zwar ohne Satzungsänderung, obwohl die Satzung (noch) die Schriftform vorsieht.
- Für den neu hinzugekommenen Punkt einer Übertragung des Geschäftsguthabens zwischen zwei Personen (Übertragender/Aufnehmender) wollte der Gesetzgeber nicht, dass den Genossenschaften die Erleichterung für die Übertragung des Geschäftsguthabens aufgedrängt wird. Er war nämlich offenbar davon ausgegangen, dass die meisten Satzungen keine eigenen Bestimmungen zur Form der Übertragung enthalten (was bei der Muster-Satzung aber gegeben ist). Daher sollen auch hier Vorstand und Aufsichtsrat festlegen können, dass – ebenfalls für 5 Jahre – eine Übertragung des Geschäftsguthabens weiterhin der schriftlichen Form bedarf. Hier kann also die Erschwerung durch die Beschlussfassungen vorerst beibehalten werden. Durch die Beschlussfassungen kann somit auch klargestellt werden, dass die bisherige Satzungsformulierung, die Schriftform vorschreibt, vorerst weiter Gültigkeit hat.
In einem weiteren Beitrag werden wir über die wesentlichen Inhalte des Gesetzes zur Stärkung der genossenschaftlichen Rechtsform informieren. Zudem wird dies auch ein Thema auf dem diesjährigen Forum der Wohnungsgenossenschaften in Reit im Winkl sein.