Nach der Verabschiedung der europäischen Gebäuderichtlinie (EPBD) am 12.03.2024 appelliert der Spitzenverband der Wohnungswirtschaft GdW an die Bundesregierung, das absolute Hauptaugenmerk auf leistbare Nullemissionshäuser und damit auf eine sozial verträgliche Ausgestaltung der Gesetzgebung in Deutschland zu legen. „Bei der Umsetzung der Klimaziele der Europäischen Union kommt es stark auf die nationale Umsetzung an. Dabei muss unbedingt die finanzielle Leistungsfähigkeit der sozial orientierten Wohnungsunternehmen und die Bezahlbarkeit insbesondere für Mieter mit mittleren und niedrigen Einkommen berücksichtigt werden. Die vorhandenen Mittel – volks- wie privatwirtschaftliche – müssen mit maximalem Erfolg für Nullemissionshäuser eingesetzt werden, denn die Wohnungsunternehmen können jeden Euro nur einmal ausgeben“, sagt Axel Gedaschko, Präsident des GdW.
Das Ergebnis des sogenannten Trilogs der europäischen Institutionen zur EPBD, der bereits im vergangenen Jahr getroffenen wurde, stellt zunächst einen annehmbaren Kompromiss dar – allerdings nur, wenn bei der Umsetzung auf nationaler Ebene eine verlässliche und auskömmliche Unterstützung der Wohnungsunternehmen und ihrer Mieter bei der Erreichung des Zieles der Klimaneutralität in der Europäischen Union bis 2025 einhergeht. Denn angesichts der sehr ambitionierten Ziele bei gleichzeitigen Kostensteigerungen in fast allen Bereichen und vielen weiteren Herausforderungen, wie dem altersgerechten Umbau und dem nötigen Wohnungsneubau, geht bezahlbares Wohnen nicht ohne angemessene staatliche Unterstützung.
Zu begrüßen ist im EPBD-Kompromiss die Einigung der Gesetzgeber darauf, die Mindestenergieeffizienzanforderungen (MEPS) nicht auf Wohngebäude anzuwenden, die Energieausweise nicht auf europäischer Ebene zu harmonisieren, den Ausbau der Solarenergie an die technische und wirtschaftliche Realisierbarkeit zu koppeln sowie durch den Quartiersansatz Kommunen und Wohnungsunternehmen die Flexibilität einräumen, die Klimaziele zu erreichen.
Allerdings ist die generelle europäische Stoßrichtung in der Klimapolitik zu kritisieren: „Europa verfolgt die immergleiche Strategie weiter, die zunehmend weniger erfolgreich ist: die Vorgabe von sehr hohen Energieeffizienzzielen und sehr geringem Energie-Restverbrauch von Gebäuden, der erneuerbar gedeckt werden soll. Für diese Strategie reichen die Ressourcen nicht – weder an Eigenkapital der sozial orientierten Wohnungsunternehmen noch an Planern und Ausführenden. Auch die Bezahlbarkeit durch die Mieter ist nicht gegeben und staatliche Zuschüsse werden in einer für ein Effizienzszenario nötigen Höhe nicht vorhanden sein. Wir brauchen einen neuen Zugang zur Klimaneutralität, der das Zusammenspiel von erneuerbarer Energie und mindestens nötiger Effizienz neu regelt. Das leistet die EPBD nicht“, sagt Gedaschko.
Der entscheidende und letztlich bezahlbare Hebel liegt in der klimaneutralen Versorgung der Gebäude mit erneuerbarer Energie, nicht in immer teureren Sanierungen mit immer geringerem Einspareffekt. Das muss sich endlich in der Klimapolitik niederschlagen. Denn Effizienz kann lediglich Unterstützung bei der Erreichung der Klimaziele leisten, sie darf aber nicht das Ziel an sich sein. Mit anderen Worten: „Efficiency first“ heißt nicht maximale Energieeffizienz. Efficiency first bedeutet, für Gebäude und im Rahmen einer Quartiersversorgung abzuklären, welche Kombination von Energieverbrauch und Erneuerbarer Energie betriebswirtschaftlich kostenoptimal umsetzbar ist.
Neue Studie belegt: Auf das beste Kosten-Nutzen-Verhältnis kommt es an
Die neue Studie „Mehrkosteneffizienz alternativer Zero Emission Building (ZEB) Definitionen“ von Prof. Dr. Nikolas Müller von der EBS Universität in Oestrich-Winkel belegt, dass es für den Gesamterfolg von Klimaschutzmaßnahmen im Wohngebäudebereich zuallererst darauf ankommt, dass flächendeckend Maßnahmen mit dem besten Kosten-Nutzen-Verhältnis ermöglicht werden. Die Ergebnisse der Studie sind ein Resultat einfacher mathematischer Berechnungen und sie liefern eine folgelogische Antwort: Die Grenzkosten der Energieeinsparung im Gebäudebestand sind längst überschritten, flächendeckende Vollsanierungen führen für Eigentümer wie für Mieter zu zusätzlichen Kosten. Die Notwendigkeit der Vermeidung von CO2-Emissionen ist jedoch unstrittig. Die Frage ist schlicht: Können die Ziele verlässlicher erreicht werden, als mit dem Strategieansatz, das Ordnungsrecht hinsichtlich der Gebäudeeffizienz zu verschärfen bzw. an hoher Sanierungstiefe festzuhalten? Hierauf gibt die Arbeit im Detail die folgenden Antworten:
„Die Studienergebnisse zeigen für den GdW-Bestand, dass von einer finanziellen Vorteilhaftigkeit bei einer flächendeckenden gebäudebezogenen Effizienzsteigerung nicht mehr gesprochen werden kann. Nutzerseitig geht mit energetisch höherwertigen Standards uneingeschränkt zusätzlicher Komfort einher, kostenseitig übersteigen diese Standards jedoch auch bei hohen Energiepreisen die Warmmietenneutralität bei weitem“, sagt GdW-Präsident Axel Gedaschko.
Die Ergebnisse bestätigen einerseits eine Reihe anderer Forschungsarbeiten, die darlegen, dass die EU-Kommission für den Wohngebäudebestand falsch informiert ist, wenn sie davon ausgeht, dass energetische Sanierungen aus den Einsparungen finanziert werden könnten. Andererseits erklären sie, warum im Bestand Sanierungen nach den Zielen politischer Akteure aktuell nicht durchgeführt werden: Sie fordern schlicht zusätzliche erhebliche Finanzmittel ein. Die von der Kommission oft herangezogene Beseitigung von ‚energy poverty‘ vergisst, dass alle Investitionen refinanziert werden müssen sowie auch, dass die Beseitigung der Energiearmut zu einer Wohnkostenarmut führen kann, also die Warmmiete zu stark erhöht.
Es ist anzunehmen, dass hohe Effizienzstandards für Nullemissionsgebäude keinen positiven Beitrag leisten werden, wenn sie erstens Maßnahmen wegen fehlender wirtschaftlicher Darstellbarkeit verhindern und zweitens Treibhausgasemissionen anders günstiger einzusparen sind. Und wenn drittens auch die energetische Differenz zwischen verschiedenen baulichen Standards durch den zusätzlichen Einsatz erneuerbarer Energien kostengünstiger gedeckt werden kann als die flächendeckende Umsetzung hoher energetischer baulicher Standards bei gleicher Klimaschutzwirkung. Mit anderen Worten: Hohe Standards bergen schlicht die Gefahr, dass auch weiterhin kaum Sanierungsmaßnahmen durchgeführt werden – in Folge blieben dann sowohl energetische Effizienzsteigerungen als auch der Klimaschutz auf der Strecke.