Die Elektromobilität nimmt Fahrt auf und damit auch die Frage nach Lademöglichkeiten auf gemieteten Stellplätzen. Insoweit hat der Gesetzgeber mit § 554 Abs. 1 BGB dem Mieter gegen den Vermieter einen Erlaubnis- und Duldungsanspruch im Hinblick auf bauliche Veränderungen auf eigene Kosten eingeräumt, sofern diese dem Laden elektrisch betriebener Fahrzeuge dienen. Nun hat das LG München I entschieden, dass der Mieter ein Wahlrecht auf die Installation einer PKW-Elektroladestation durch eine bestimmte Firma hat (LG München I, Endurteil v. 23. Juni 2022. Az. 31 S 12015/21).

Sachverhalt
Die Mieter eines angemieteten Stellplatzes in einer insgesamt 200 Stellplatzeinheiten umfassenden Tiefgarage baten ihre Vermieterin um eine Erlaubnis zur Errichtung einer Elektroladestation für das Laden eines Elektrofahrzeuges auf eigene Kosten durch ein ganz bestimmtes Unternehmen. Dies lehnte die Vermieterin mit dem Argument ab, dass sie damit rechne, dass in Zukunft weitere Mieter den Einbau entsprechender Ladestationen wünschen. Da sie die Mieter gleich behandeln wolle, müsse ein einheitlicher Anbieter gewählt werden, welcher den Einbau der Ladestationen für eine Vielzahl von Folgefällen gewährleisten könne. Das vorinstanzliche Gericht gab dem Vermieter mit der Begründung Recht, dass eine umfassende Interessenabwägung im Rahmen des § 554 Abs. 1 Satz 2 BGB zwischen den beteiligten Interessen zu Gunsten des Vermieters ausfalle. Ein von der Vermieterin vorgegebener Kontrahierungszwang für die Installation und den Betrieb im Hinblick auf die grundsätzliche Realisierungsmöglichkeit weiterer Ladestationen sei dem Mieter zumutbar. Dabei ging das Gericht davon aus, dass die technische Einrichtung für mehr als 10 Ladestationen am bestehenden Hausanschluss nur seitens der von der Vermieterin gewählten Stadtwerken möglich sei – eine Einschätzung, die wir ohne Weiteres nicht teilen, hier hätte es einer näheren Sachverhaltsaufklärung bedurft.

Aus den Gründen
Die Beweisaufnahme am Landgericht München I hat ergeben, dass die derzeitige Kapazität in der Tiefgarage der Vermieterin für weitere Ladepunkte ausreiche. Da derzeit nur drei Ladestationen vorhanden seien, sei die vom Kläger begehrte Station aus technischer Sicht umsetzbar. Die Berufungsinstanz folgte der Interessenabwägung des Amtsgerichtes nicht und verurteilte den Vermieter zur Duldung der Installation durch den von ihm ausgewählten Fachbetrieb. § 554 Abs. 1 BGB als vorwiegend Mieterinteressen dienende Anspruchsnorm für die Erlaubnis einer baulichen Veränderung der Mietsache, die dem Laden elektrisch betriebener Fahrzeuge dient, regelt nicht ausdrücklich, wer die für die Ausführung zuständigen Handwerksfirmen auswählen darf. Daraus folgert das LG München, dass der Mieter grundsätzlich selbst diese Veränderungen – jedenfalls mittels eines geeigneten Fachunternehmens – durchführen dürfe. Dies beinhalte auch die Befugnis des Mieters, ein ihm genehmes Unternehmen auszuwählen und die konkrete Ausgestaltung des Anschlusses zu bestimmen.

Dieser Anspruch bestehe nach dem Wortlaut der neuen gesetzlichen Regelung nur dann nicht, „wenn die bauliche Veränderung dem Vermieter auch unter Würdigung der Interessen des Mieters nicht zugemutet werden kann“. Der Einbau des konkreten Elektroanschlusses seitens des Mieters müsse somit dem Vermieter als Ausnahme von der Regel unzumutbar sein. Im vorliegenden Fall sei nach dem Streitstand die derzeitige Kapazität für jedenfalls 5-10 Ladestationen ausreichend. Dass möglicherweise noch andere Mieter künftig einen solchen Anschluss für sich beanspruchen und die hierfür technische Ausstattung dann gegebenenfalls nur durch ein konkretes Fachunternehmen installiert werden könne, ändere hieran nichts. Nach dem allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz habe der Vermieter lediglich über § 242 BGB das Willkürverbot aus Art. 3 Abs. 3 zu beachten, so das Landgericht.

Der seitens des Amtsgerichts angesprochene Gesichtspunkt, dass der Vermieter die Mietsache keinesfalls in einer Weise technisch aufrüsten müsse spiele keine Rolle, da die Kosten vom Mieter getragen werden.

Bewertung
Das Urteil des Landgerichts München I setzt ein falsches Signal – und dies offenbar unter Zugrundelegung falscher technischer Annahmen und eines unzureichend ermittelten Sachverhaltes. Hiervon zeugt bereits die Aussage, es sei eine „Kapazität für jedenfalls 5-10 Ladestationen frei“. Wallboxen laden in der Regel mit einer Leistung von 11 KW – wobei es auch Ladestationen mit bis zu drei Ladepunkten (mit jeweils bis zu 11 KW) gibt. Freie Kapazitäten wiederum lassen sich ausschließlich exakt messen.

Im Rahmen der Interessenabwägung ist zugunsten des Vermieters dessen berechtigte Befürchtung zu berücksichtigen, dass er in künftigen Fällen Einbauwünschen Dritter betreffend Ladepunkte (umgangssprachlich Wallboxen) nicht mehr ohne Weiteres gerecht werden kann. Zwar geht das Landgericht zu Recht davon aus, dass Dritte – etwa andere Mieter – aktuell gegen den Vermieter wegen der nun anstehenden baulichen Veränderung durch den Kläger keine Rechte – etwa auf Mietminderung – geltend machen können. Die Gefahr, dass sich der Vermieter durch bauliche Veränderungen des Mieters aktuell keinen Drittansprüchen ausgesetzt sehen darf, ist jedoch im Sinne des entgegenstehenden berechtigten Interesses des Vermieters nur ein Argument unter mehreren. Denn ab einer bestimmten Anzahl an Ladepunkten ist die Kapazität des Hausanschlusses erschöpft, sofern nicht rechtzeitig vor Ausschöpfung der Kapazität ein Lade- und Lastmanagement für möglichst alle Ladepunkte installiert wird. Dieses drosselt bei Bedarf die Ladeleistung für alle angeschlossenen Fahrzeuge, damit die Anschlusskapazität des Hauses nicht überlastet wird.

In der Regel können einfache Wallboxen nicht nachträglich in ein Lade- und Lastmanagement integriert werden. Wird vermieterseits nachträglich ein Lade- und Lastmanagement installiert, ohne die bestehenden Ladepunkte in dieses zu integrieren, nehmen die (nicht integrierten) Wallboxen nicht am Lade- und Lastmanagement teil. In der Folge steht für die Wallboxen mit Lade- und Lastmanagement weniger Kapazität zur Verfügung, während die (nicht integrierten) Wallboxen durchgängig mit voller Leistung laden. Mit jedem weiteren Ladepunkt, der sich nicht in das System integrieren lässt, steigt diese Diskrepanz – in der Regel um 11 kW je Ladepunkt – bis der Einbau eines Lade- und Lastmanagements schlicht keinen Sinn mehr macht, weil keine ausreichende Kapazität mehr vorhanden ist. Ab diesem Zeitpunkt können künftige Interessenten auch nicht mehr auf einen Hersteller verwiesen werden, der höhere Lasten (theoretisch) zu managen im Stande wäre – was ein wesentliches Kernargument des LG München I darstellte.

Dann besteht nur noch die Möglichkeit, entweder den ursprünglich eingebauten „Wildwuchs“ zu beseitigen, die Anschlusskapazität zu erhöhen oder einen separaten Hausanschluss für die Tiefgarage zu beantragen – was jeweils mit hohen Kosten verbunden ist. Auch im Sinne einer späteren Vermietbarkeit seiner noch nicht mit Ladepunkten ausgestatteten (und dann auch nicht mehr ohne einen kapazitär erweiterten oder weiteren Hausanschluss nachrüstbaren) Stellplätze ist dies dem Vermieter unzumutbar.

„Wer zuerst kommt, mahlt zuerst“ widerspricht damit auch dem Sinn und Zweck des § 554 Abs. 1 BGB n.F., möglichst vielen Mietern den Umstieg auf elektrisch betriebene KFZ zu ermöglichen. Wahlfreiheit des Einzelnen bezüglich des Installateurs schön und gut, aber bitte doch nur, wenn die Partikularinteressen nicht einem geordneten Auf- oder Ausbau der Ladinfrastruktur einer Liegenschaft insgesamt im Wege stehen – bzw. wenn jeder Alleingang eines „early movers“ die Möglichkeiten nachfolgender Stellplatzmieter mindert, ihr Fahrzeug mit einer ausreichenden Leistung zu laden.

Setzt sich die Rechtsansicht des LG München I durch, so bleibt dem Vermieter nur übrig, proaktiv und rechtzeitig tätig zu werden, indem er entweder so viele Interessenten für eine Installation „sammelt“, dass der Einzelne damit bereits jetzt – und nicht erst künftig – in die Rechte des Vermieters oder seiner Mitmieter eingreift, wenn er auf einer Sonderlösung besteht. Oder der Vermieter trifft eine Investitionsentscheidung zugunsten der Zukunftsfähigkeit seiner Infrastruktur und installiert bereits jetzt ein Lade- und Lastmanagement. Damit schöpft er die derzeit freie Kapazität ab und sämtliche Mieter, die ihren Anspruch auf Erlaubnis und Duldung des Einbaus von Ladepunkten geltend machen, müssen ihren Ladepunkt in das Gesamtsystem einfügen. Unter dieser Voraussetzung steht einer freien Wahl des Wallbox-Herstellers und des Fachbetriebs zur Installation dann allerdings nichts mehr entgegen.