Die Parteien sind die beiden einzigen Eigentümer einer WEG. Die Wohneinheit der Kläger besteht unter anderem aus dem Dachgeschoss. Die Kläger beabsichtigen, auf dem Dach eine Klimaanlage anzubringen. Sie begehren u.a. die Feststellung, dass dazu die Zustimmung der Beklagten entbehrlich sei, hilfsweise die Beklagten zu deren Erteilung zu verurteilen. Das Landgericht entschied hierzu als Berufungsinstanz /LG Frankfurt/Main, Beschluss vom 20.4.2021, Az. 2-13 S 133/20):
Nach neuem Recht bedarf gem. § 20 WEG jede bauliche Veränderung des Gemeinschaftseigentums zwingend einer zustimmenden Beschlussfassung durch die Eigentümer:
A) Anspruch auf Beschlussfassung durch Privilegierung?
Bei der Klimaanlage handelt es sich nicht um eine privilegierte Maßnahme nach § 20 Abs. 2 WEG, der Wortlaut der Vorschrift ist insoweit eindeutig. Zwar wird teilweise eine erweiternde Auslegung für möglich gehalten, etwa für zukünftige technische Fortentwicklungen oder Fälle, in denen aus verfassungsrechtlichen Gründen (Parabolantenne) oder zum Anschluss an eine Fernsprecheinrichtung eine bauliche Veränderung nötig ist. Eine Klimaanlage fällt aber nicht darunter.
B) Anspruch auf Beschlussfassung nach Einverständnis aller, die durch die Maßnahme über das bei geordnetem Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus beeinträchtigt sind gemäß § 20 Abs. 3 WEG?
Der Einbau einer Split-Klimaanlage stellt eine benachteiligende bauliche Veränderung dar. Die Schwelle, ob durch eine bauliche Veränderung ein nicht unerheblicher Nachteil entsteht, ist schon aus verfassungsrechtlichen Gründen des Art. 14 Abs. 1 GG eher niedrig anzusetzen, eine erhebliche Beeinträchtigung ist gerade nicht erforderlich. Vielmehr bleiben nur ganz geringfügige und völlig belanglose bzw. bagatellartige Beeinträchtigungen außer Betracht. Entscheidend ist, ob sich nach der Verkehrsanschauung ein Wohnungseigentümer in der entsprechenden Lage verständlicherweise beeinträchtigt fühlen kann.
An diesem Maßstab hat sich durch die WEG-Reform nichts geändert. Für eine großzügigere Auslegung dürfte nach neuem Recht bereits deshalb kein Raum sein, weil nun mit einfacher Mehrheit bauliche Veränderungen beschlossen werden können. Der Gesetzgeber hat insoweit den Handlungsspielraum der Mehrheit deutlich erweitert, zugleich aber Ansprüche einzelner Eigentümer auf Baumaßnahmen nur bezüglich weniger Einzelbereiche zugelassen. Sind diese nicht einschlägig, bleibt es bei dem Grundsatz, dass bauliche Veränderungen nur zulässig sind, wenn sie niemanden beeinträchtigen oder der Beeinträchtigte zustimmt. Demzufolge genügt ein Eingriff in die bauliche Substanz oder eine erhebliche Veränderung des Erscheinungsbildes. Vorliegend muss bereits zur Verbindung des Außenteils mit dem Innenteil eine Durchbohrung der im gemeinschaftlichen Eigentum befindlichen Daches erfolgen, bereits dies stellt einen Eingriff in die bauliche Substanz dar. Hierzu sind die Kläger ohne Zustimmung der Beklagten nicht berechtigt. Bereits dies genügt für eine bauliche Veränderung.
Zudem ist, eine auf dem Dach befindliche Klimaanlage sichtbar.
Entscheidend ist, dass die optische Veränderung von außen sichtbar ist, also vom Standort eines Miteigentümers (etwa aus dessen Wohnbereich) oder jedes Miteigentümers wie auch eines unbefangenen Dritten, etwa von der Straße oder von Gemeinschaftsflächen aus. Eine Beeinträchtigung liegt nur dann nicht vor, wenn die vorgenommene Veränderung lediglich aus einer ganz ungewöhnlichen Perspektive, etwa aus der Luft oder von einem für Wohnungseigentümer und Dritte gewöhnlich nicht zugänglichen Ort zu erkennen ist. Eine Sichtbarkeit von der Straße ist nicht erforderlich, würde aber ebenso genügen, wie die Sichtbarkeit von dem Grundstück Dritter. Eine Sichtbarkeit des Gerätes führt daher ebenso, wie bereits der Eingriff durch die Verbindung des Außen- mit dem Innengerät, zum Nachteil, denn das Erscheinungsbild eines Daches ohne Klimagerät unterscheidet sich erheblich von dem eines Daches mit einem solchen Gerät und einem Tritt.
Ein Nachteil ist auch nicht deshalb zu verneinen, weil die Dachwohnung sich in den Sommermonaten erheblich aufheizt. Dass sich Dachwohnungen im Sommer aufheizen, liegt allerdings in der Natur der Sache und musste den Klägern bei Erwerb der Wohnung bekannt sein. Auch im Jahre 1983, als das Grundstück geteilt wurde, musste den Klägern klar sein, dass ein nicht isoliertes Dach zu einer erheblichen Erwärmung der Räume unterhalb des Daches führte, zumal es auch damals bereits heiße Sommer gab.
Fazit für Verwalter:
Bauen nur mit Beschluss: Bauvorhaben einzelner Eigentümer sollten als Tagesordnungspunkt in die Einladung aufgenommen werden. Dadurch erfahren alle Eigentümer hiervon, was auch in technischer Hinsicht bedeutsam ist: Selbst bei baulichen Veränderungen am Sondereigentum, z. B. bei Durchbrüchen durch (vermeintlich) nicht tragende Wände, besteht ein Informationsinteresse, unter anderem für mögliche zukünftige Durchbrüche in anderen Wohnungen an gleicher oder benachbarter Stelle, was im Gesamtgefüge zu statischen Bedenken führen kann.
Stimmt eine Mehrheit dafür, dann kann dieser Beschluss nur dann erfolgreich angefochten werden, wenn durch die Baumaßnahme die Wohnanlage grundlegend umgestaltet wird, § 20 Abs. 4 WEG.
Stets ist zu prüfen, ob es eine Vereinbarung hierzu gibt. Ob diese Vorrang vor den neuen gesetzlichen Vorschriften hat, ist gemäß § 47 WEG zu beurteilen – was ohne juristischen Rat etwas schwierig ist.