Am 4. September hat der Koalitionsausschuss aus SPD, Bündnis 90 | Die Grünen und FDP ein „Maßnahmenpaket des Bundes zur Sicherung einer bezahlbaren Energieversorgung und zur Stärkung der Einkommen” beschlossen. Dieses Maßnahmenpaket enthält Instrumente, die grundsätzlich direkt entlastend auf Wohnungsunternehmen wirken sollen, und Instrumente, die über allgemeine Entlastungen der Bürgerinnen und Bürger auch die Mieter- und Vermieterseite entlasten. Grundsätzlich begrüßt die Wohnungswirtschaft Entlastungsmaßnahmen in der aktuellen Situation, die von explodierenden Kosten gekennzeichnet ist. Die einzelnen Instrumente sind jedoch auf ihre Zielgenauigkeit zu überprüfen. Hier bedarf es noch deutlicher Nachbesserungen bzw. Korrekturen.

Instrumente, die grundsätzlich direkte Wirkung auf die Wohnungsunternehmen entfalten sollen
Für die Wohnungsunternehmen sind die Punkte „Wohngeldreform” und „Heizkostenzuschuss II” von zentraler Bedeutung. Für Wohnungsunternehmen besteht die hohe Gefahr, dass diese aufgrund ihrer Vorauszahlungen an die Gaslieferanten mit einem erheblichen Liquiditätsproblem konfrontiert werden.

Die Wohnungswirtschaft behilft sich derzeit mit der Anpassung der Betriebskostenvorauszahlung, die nach Ansicht des GdW, auch mehrfach innerhalb einer Abrechnungsperiode in dieser außergewöhnlichen Situation als möglich erscheint. Es ist jedoch äußerst fraglich, ob die Mieterinnen und Mieter, zumal im Bestand der sozial orientierten Wohnungsunternehmen, finanziell in der Lage sind, die derzeitigen Kostensprünge zu tragen. Eine Verringerung der finanziellen Belastung der Mieterseite muss daher sehr schnell umgesetzt werden und einen deutlich breiteren Kreis erfassen als das bisherige Wohngeld. Hier nehmen wir die Bundesregierung beim Wort, die eine deutliche Verbreiterung beim Wohngeld angekündigt hat. Nur auf diesem Weg können die jetzt konzentriert auftretenden Kosten der Wohnungs-
unternehmen abgefedert werden.

Heizkostenzuschuss II – Erweiterung des Berechtigtenkreises bereits jetzt!
Der Koalitionsausschuss hat beschlossen, im Dezember einen „Heizkostenzuschuss II” an die Empfänger von Wohngeld auszuzahlen. Er beträgt einmalig 415 Euro für einen 1-Personen-Haushalt (540 Euro für zwei Personen; für jede weitere Person zusätzliche 100 Euro). Der Heizkostenzuschuss ist grundsätzlich das zentrale Instrument, um die jetzt konzentriert auftretenden Heizkostensprünge abzufedern. Der Heizkostenzuschuss soll jedoch nur an den Kreis der bisherigen Wohngeldberechtigten ausgezahlt werden. Damit greift die Maßnahme zu kurz. Die konzen-triert auftretenden Kosten überfordern auch Haushalte, die bisher nicht wohngeldberechtigt sind. Dies erkennt der Koalitionsausschuss selber an, indem er mit der Wohngeldreform zum 1. Januar 2023 den Bezugskreis erweitern und eine dauerhafte Klima- und Heizkostenkomponente integrieren will. Da die Wohngeldreform für die akute Liquiditätsproblematik jedoch zu spät greift, muss die Erweiterung des Berechtigtenkreises bereits für den Heizkostenzuschuss II greifen. Der GdW fordert, dass der Kreis der Wohngeldempfänger bereits mit Heizkostenzuschuss II erweitert wird und anhand einer Plausibilitätsprüfung erfolgt.

Wohngeldreform – Schritt in die richtige Richtung mit Korrekturbedarf
Der Koalitionsausschuss hat beschlossen, das Wohngeld zum 1. Januar 2023 zu reformieren. In dem Beschuss heißt es „Es wird eine dauerhafte Klimakomponente und eine dauerhafte Heizkostenkomponente enthalten, um die steigenden Energiepreise stärker abzufedern. Zudem wird der Kreis der Wohngeldberechtigten auf zwei Millionen Bürgerinnen und Bürger erweitert, sodass mehr Bürgerinnen und Bürger in Zeiten stark steigender Energiekosten anspruchsberechtigt werden.” Diesen Schritt begrüßt der GdW ausdrücklich. Damit das reformierte Wohngeld die neue Energiepreissituation tatsächlich effektiv abfedern kann, bedarf es jedoch bestimmter Voraussetzungen: Nach den Regelungen der Wohngeldreform 2020 wird das Wohngeld alle zwei Jahre an die allgemeine Mieten- und Verbraucherpreisentwicklung angepasst. Vor dem Hintergrund der aktuellen, sich dynamisch entwickelnden, Energie- und Verbraucherpreise kommt der Dynamisierung eine sehr entscheidende Bedeutung zu. Ohne Dynamisierung würden zahlreiche Haushalte aus dem Wohngeld herauswachsen bzw. in die Grundsicherung wechseln. Gerade aufgrund der aktuellen drastischen Preissteigerungen schlägt der GdW vor, die Anpassung des Wohngelds jährlich anhand des Verbraucherpreisindex anzuheben. Die dauerhafte Berücksichtigung der Heizkosten hat der GdW – wie auch die Dynamisierung – seit Jahren gefordert.

Neben der Dynamisierung ist der Faktor Zeit bis zur Auszahlung des reformierten Wohngeldes entscheidend. In dem Beschluss heißt es hierzu, die Reform solle „zügig umgesetzt und alle Möglichkeiten der Beschleunigung von Durchführungswegen bei der Antragstellung sollen ausgeschöpft werden. Dazu können auch unbürokratische Abschlagszahlungen beitragen”. Dies geht in die richtige Richtung. Das Wohngeld sollte jedoch nach der Reform für eine befristete Zeit von sechs Monaten ebenfalls – analog zu der GdW-Forderung zum „Heizkostenzuschuss II” – anhand einer Plausibilitätsprüfung mit nachgelagerter Prüfung gewährt werden.

Entscheidend ist aber eine schnelle und schlanke Prüfung. Hier müssen die Verfahren überprüft und stärker digitalisiert werden. Der GdW steht zu diesem Thema im Austausch mit den kommunalen Spitzenverbänden.

Liquiditätshilfen für Wohnungsunternehmen vollkommen unzureichend
In dem Beschluss des Koalitionsausschusses heißt es: „Um die kommunalen und sozialen Wohnungsunternehmen bei steigenden Energiekosten zu unterstützen, wird die befristete Förderung von Betriebsmitteln im KfW-Investitionskredit Kommunale und Soziale Unternehmen bis zum 31. Dezember 2023 verlängert. Private Wohnungsunternehmen können darüber hinaus die regulären ERP-/KfW-Förderkreditprogramme und bei vorübergehenden Liquiditätsengpässen außerdem die regulären Bürgschaftsprogramme von Bund und Ländern zur Liquiditätssicherung in Anspruch nehmen.” Neben der offenen Frage der Definition „Soziale Wohnungsunternehmen” hilft die befristete Förderung von Betriebsmitteln im KfW-Investitionskredit den Wohnungsunternehmen nicht weiter. Die Liquiditätsprobleme entstehen den Wohnungsunternehmen, weil diese die höheren Energiekosten für die Mieter verauslagen und erst später im Rahmen der Betriebskostenabrechnung abrechnen. Insofern treffen die steigenden Energiekosten nicht direkt die Wohnungsunternehmen, sondern nur indirekt. Die befristete Förderung von Betriebsmitteln im Rahmen des KfW-Investitionskredits Kommunale und Soziale Unternehmen dient ausdrücklich nicht der Überbrückung einer Liquiditätslücke. Sie sind ausdrücklich für Betriebsmittel und Investitionen ausgelegt. Für Investitionen stehen den Wohnungsunternehmen vorrangig die Programme der BEG-Förderung zur Verfügung. Diese helfen aber beim Problem der Liquiditätslücke auch nicht weiter. Auch die für private Wohnungsunternehmen angesprochenen ERP-/KfW-Förderkreditprogramme und bei vorübergehenden Liquiditätsengpässen außerdem die regulären Bürgschaftsprogramme von Bund und Ländern zur Liquiditätssicherung helfen für das bestehende Problem „Liquiditätslücke” nicht wirklich weiter. Je nach Risikoeinschätzung liegen die Zinssätze bei bis zu 10% (KfW Förderkredit Mittelstand 20/3/19 Risikoklasse I). Die Zinsen würden die Liquidität und Ertragslage der Wohnungsunternehmen weiter belasten und können nicht im Rahmen der Betriebskostenabrechnung an die säumigen Mieter weitergegeben werden. Der GdW wird daher weiterhin auf tatsächlich greifende Liquiditätshilfen drängen und eine definitorische Klarstellung „sozialer Wohnungsunternehmen” einfordern. Hierzu haben bereits Gespräche mit der Spitze des Bauministeriums stattgefunden. Das Signal an uns von dort lautet: ‘Wir wollen etwas schaffen, was den Unternehmen tatsächlich hilft’. Dazu werden jetzt sehr kurzfristig weitere klärende Gespräche geführt.

Deckelung des Strompreises
Der Beschluss des Koalitionsausschusses sieht die Einführung einer Strompreisbremse und die Dämpfung der Netzentgelte vor. Zudem soll die Bundesregierung sich auf europäischer Ebene mit Nachdruck für eine Neujustierung des Strommarktdesigns einsetzen, um „Zufallsgewinne” abzuschöpfen. Hierfür wirbt der GdW bereits seit längerer Zeit und begrüßt den Schritt.

Verschiebung der Erhöhung des CO2-Preises
Der Koalitionsausschuss hat beschlossen, die Erhöhung des CO2-Preises zum 1. Januar 2023 um ein Jahr zu verschieben. Dieser Schritt ist zu begrüßen, der GdW bleibt jedoch bei seiner Forderung, den CO2-Preis für ein Jahr vollständig auszusetzen.

Weitere Maßnahmen
Der Koalitionsausschuss hat weitere Maßnahmen beschlossen, mit denen den Bürgerinnen und Bürgern die Spitze der Belastung genommen werden soll. Hierzu zählen Steuerentlastungen (Abbau der kalten Progression), Einmalzahlungen an Studierende, Rentnerinnen und Rentner, ein vergünstigtes Nahverkehrsticket etc. Aus Sicht der Wohnungswirtschaft hätten diese Maßnahmen zielgenauer ausgestaltet werden müssen, können in Summe jedoch dazu beitragen, dass Mieterinnen und Mieter in die Lage versetzt werden, ihre Wohnnebenkosten zu begleichen.