Bereits im vergangenen November hat der BGH mit Urteil vom 12.11.2021 (Az: V ZR 115/20) für einen Fall aus Nordrhein-Westfalen entschieden, dass Nachbarn aufgrund landesrechtlicher Regelungen dazu verpflichtet sein können, eine nachträgliche grenzüberschreitende Wärmedämmung zu dulden. Wir hatten hierüber berichtet, weil der bayrische Landesgesetzgeber mit § 46a AGBGB auch für unser Bundesland eine derartige Regelung getroffen hat. Nun liegt mit einem Urteil des BGH vom 01.07.2022 eine weitere Entscheidung – dieses Mal für das Bundesland Berlin – zu besagtem Sachverhalt vor (BGH, Urteil vom 1. Juli 2022 – V ZR 23/21).

Vorliegend stritten die Eigentümer zweier benachbarter Grundstücke in Berlin darum, ob die Klägerin im Rahmen einer Fassadensanierung den seit 1906 nicht mehr sanierten grenzständigen, ca. 7,5 Meter höheren Giebel ihres Gebäudes mit einer 16 Zentimeter starken, mineralischen Dämmung versehen und in diesem Umfang über die Grenze zum Grundstück der Beklagten hinüberbauen darf.

Der BGH ist für die Berliner Norm zu dem Ergebnis gelangt, dass in formeller Hinsicht kein Verstoß gegen Verfassungsrecht vorliegt. Gleichzeitig bewegt sich § 16a NachbarG im Hinblick auf seine materiellen Verfassungsmäßigkeit an der Grenze dessen, was mit Art. 14 Abs. 1 GG vereinbar ist. Aus Gründen des Nachbarschutzes werde in den Regelungen anderer Bundesländer zur Nachdämmung (so auch in Bayern) der Duldungsanspruch durchweg von weiteren Voraussetzungen abhängig gemacht, etwa davon, dass der Überbau die tatsächliche oder beabsichtigte Benutzung des Grundstücks des Nachbarn nicht oder nur geringfügig beeinträchtigt oder dass eine vergleichbare Wärmedämmung nicht auf andere Weise (etwa durch eine Innendämmung) mit vertretbarem Aufwand vorgenommen werden kann. Jedoch könne die Berliner Norm im Sinne des – in anderen Bundesländern ausdrücklich geregelten – Nachbarschutzes so ausgelegt werden, dass die materielle Verfassungsmäßigkeit gewahrt sei.

Nachdem die Berliner Vorschrift hinter dem expliziten Überbauungsschutz in Bayern zurückbleibt, erscheint nunmehr höchst unwahrscheinlich, dass die Bayrische Vorschrift aus formellen oder materiellen Gründen angreifbar ist.

Sofern die Dämmung eines an der Grenze errichteten Gebäudes erst nachträglich erforderlich wird – sei es durch neue öffentlich-rechtliche Zielvorgaben oder jedenfalls durch die Veränderung allgemein üblicher Standards infolge der bautechnischen Fortentwicklung – so ist die Nachdämmung zulässig, sofern die in Bayern normierten oder durch Auslegung zu ermittelnden Zumutbarkeitsgrenzen der Duldungspflicht des Nachbarn nicht überschritten sind.

Der BGH hält fest, dass hiermit unter Umständen sogar erhebliche Härten für den Nachbarn verbunden sein können. Die Erreichung des gem. Art. 20a GG ebenso wie der Eigentumsschutz im Verfassungsrang stehenden Gebotes des Klimaschutzes rechtfertige dies jedoch.
Für nähere Auskünfte zur technischen Umsetzung einer nachträglichen Wärmedämmung steht Ihnen Herr Sören Gruhl von der VdW Bayern Treuhand unter der Durchwahl 089/290020-214 zur Verfügung.