Bereits im März haben wir über die Preissteigerungen auf dem Wärmemarkt und die Folgen für die Heizkostenabrechnung informiert. Die Entwicklung der letzten Wochen zeigt, dass sich die Situation der Energieversorgung durch den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg Russlands weiter verschlechtert hat und dass es derzeit wenig Grund für Optimismus gibt.

Das Bundeswirtschaftsministerium hat am 23.06.2022 auf Grundlage des Energiesicherungsgesetzes die zweite Stufe des Notfallplans Gas ausgerufen. Wir erleben auch im Energiebereich Preissteigerungen, die – wie so vieles derzeit – noch vor wenigen
Monaten unvorstellbar waren. Durch die Reduzierung der Gaslieferungen durch Nord Stream 1 und die angekündigten Reparaturarbeiten hat und wird sich die Situation noch einmal deutlich verschärfen.

Nach der Ausrufung der Alarmstufe kann nun die Bundesnetzagentur jederzeit eine „erhebliche Reduzierung der Gesamtgasimportmenge nach Deutschland” feststellen. Danach würde § 24 Energiesicherungsgesetz (EnSiG) greifen, der es Gasversorgern erlaubt, die höheren Beschaffungskosten trotz bestehender Verträge an die Unternehmen weiterzugeben. Die Bundesregierung verzichtet derzeit noch darauf, sich auf § 24 zu berufen, so dass die Versorgungsunternehmen noch nicht die Möglichkeit haben, ihre Gaspreise in bestehenden Verträgen zu erhöhen. Damit muss jedoch im Fall der Einstellung der russischen Gaslieferungen gerechnet werden.

Deshalb möchten wir im Folgenden die bisher erfolgten Handlungsempfehlungen der Wohnungswirtschaft noch einmal zusammenfassen.

1
Beheizung der Gebäude möglichst dicht an der geschuldeten Mindesttemperatur

Die wohnungswirtschaftlichen Verbände empfehlen dringend, die Beheizung der Gebäude möglichst dicht an der geschuldeten Mindesttemperatur auszurichten. Wie Ihnen bekannt ist, sind derzeit folgende Mindesttemperaturen vom Vermieter geschuldet, sofern die Vertragsparteien nichts anderes vereinbart haben:

  • Wohn- und Büroräume – auch Bad und Toilette – in der Zeit von 6:00 bis 23:00 Uhr mindestens 20 °C Zimmertemperatur,
  • sonstige Nebenräume in der Zeit von 6:00 bis 23:00 Uhr mindestens 18 °C,
  • in der Zeit von 23:00 bis 6:00 Uhr in allen Wohnräumen 18 °C.

Auch wenn Wohnungsunternehmen und Vermieter nach § 3 Nr. 24 EnWG als geschützte Kunden gelten dürften und Gas an die jeweiligen Haushalte entsprechend durchleiten, so kann eine Situation eintreten, in der zur Sicherung der Gasversorgung auch im Haushaltsbereich Einsparungen notwendig werden – ob man will oder nicht. Um einer solchen Situation vorzubeugen hat die Wohnungswirtschaft in einem viel diskutierten Beitrag darauf hingewiesen, dass auf Grundlage von § 1 Abs.1 Nr. 1 Energiesicherheitsgesetz die Bundesregierung durch Verordnung festschreiben kann, dass die rechtlich geschuldete Raumtemperatur konditioniert tagsüber (6:00 Uhr bis 23:00 Uhr) auf 18 °C in Wohnräumen sowie 19 °C im Bad und nachts (23:00 Uhr bis 6:00 Uhr) auf 16 °C in Wohnräumen und 18 °C im Bad zu begrenzen ist. Ausnahmen sind vorzusehen bei Gefährdung der körperlichen Unversehrtheit des Mieters oder der Substanz der Immobilie.

In diesem Zusammenhang besteht die Frage, ob der Mieter die Möglichkeit hat, entsprechende Gewährleistungsrechte – etwa die Mietminderung – geltend zu machen. Auch wenn eine Mietminderung hier ausgeschlossen sein dürfte, da die Absenkung aufgrund staatlicher Anordnung ergeht, würde die Wohnungswirtschaft es begrüßen, wenn gesetzlich der Ausschluss etwaiger Gewährleistungsrechte klargestellt wird. Hierzu ist der GdW in Kontakt mit dem Bundesjustizministerium.

Hierüber hinausgehende Absenkungen oder gar ein Stopp der Wärmelieferung für den Wohnraum sollten jedoch aus Gründen des Mieterschutzes und zur Sicherung der Gebäudesubstanz unbedingt vermieden werden

2
Mehrfache Anpassung der Betriebskostenvorauszahlung

Aufgrund der sprunghaft steigenden Kosten auch im Energiebereich wird ein erheblicher Anstieg der Betriebskosten erwartet. Zur Vermeidung eines hohen Nachzahlungsbetrags des Mieters und als ein Beitrag zur Liquiditätssicherung der insoweit vorleistungspflichtigen Unternehmen, sieht das Gesetz die Anpassung der Betriebskostenvorauszahlungen vor, vgl. § 560 Abs. 4 BGB.

Der GdW vertritt in Einklang mit Literatur und BGH die noch teilweise umstrittene Ansicht, dass auch eine unterjährige Anpassung der Vorauszahlungen möglich ist, wenn sie mit entsprechenden Preissteigerungen begründet werden kann. Die Anpassung der
Vorauszahlungen soll den voraussichtlich tatsächlich entstehenden Betriebskosten möglichst nahekommen, vgl. BGH, Urt. v. 28.09.2011 – VIII ZR 294/10.

Die letzte Betriebskostenabrechnung ist allein Ausgangspunkt und Orientierungshilfe für eine Anpassung der Vorauszahlungen. Allerdings haben viele Unternehmen bereits unmittelbar nach oder gleichzeitig mit der Betriebskostenabrechnung eine Anpassung der Vorauszahlungen vorgenommen. Diese lässt die aktuell drastische Preisentwicklung vollkommen unberücksichtigt. Dies führt zu folgendem Problem: Nach bisher herrschender Meinung ist eine Anpassung der Vorauszahlungen lediglich einmal im Rahmen der Abrechnungsperiode zulässig.

In „normalen Zeiten” spricht viel für diese Ansicht. Aber aufgrund der aktuell außergewöhnlichen Situation erscheint es sinnvoll, diese Ansicht zu überdenken. Zeigt sich nämlich aufgrund konkreter Umstände, dass eine Anpassung der Vorauszahlungen aufgrund der aktuellen Kostensteigerung sinnvoll ist, sollte nach Ansicht der Wohnungswirtschaft eine erneute Anpassung im Sinne beider Parteien möglich sein. Idealerweise sollte der Gesetzgeber klarstellen, dass eine einseitige Anpassung der Betriebskosten aufgrund aktueller Preissteigerungen auch nach einer bereits vorgenommenen Anpassung zulässig ist. Auch hier ist der GdW in Kontakt mit dem Bundesjustizministerium.

3
Einsparpotenziale durch Optimierung von Heizanlagen

Wir empfehlen allen Wohnungsunternehmen, ihre Objekte auf Einsparpotenziale durch organisatorische und geringinvestive Maßnahmen hin zu untersuchen und diese vor der nächsten Heizperiode umzusetzen. Das betrifft nicht nur die gasversorgten Gebäude, sondern wegen der Energiepreissteigerungen auch alle anderen, speziell die mit Fernwärme versorgten. Mieter sollten entsprechend informiert werden. Der GdW hat mit Blick auf die Heizperiode 2022/2023 eine Handreichung zur Optimierung von Heizanlagen erstellt. Sie finden diese im Mitgliederbereich unter Downloads/ GdW-Informationen.

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AVB-Fernwärme-Verordnung

Dem GdW Bundesverband liegt der Entwurf einer Änderungsverordnung des Wirtschaftsministeriums zur Änderung der AVB-Fernwärme-Verordnung vor. Die Bundesregierung plant im Fall der erheblichen Reduzierung der Gasimportmengen die Versorgungssicherheit zu gewährleisten und die Funktionsfähigkeit des Energiemarktes sicherzustellen. Diese Verpflichtung erstreckt sich auch auf mittelbar betroffene Verpflichtungen wie die Fernwärmelieferung.

Damit würde Fernwärme der unmittelbaren Gasbeheizung gleichgestellt und im Fall der erheblichen Reduzierung der Gasimportmengen wäre § 24 des Energiesicherungsgesetzes anwendbar. Alle langfristigen Lieferverpflichtungen wären obsolet und die Versorger könnten gestiegene Einstandspreise an die Endverbraucher weitergeben.

Wichtig:
Bei gas- und fernwärmeversorgten Wohnanlagen muss bei allen Wohnungsunternehmen die Energiesicherung oberste Priorität haben. Die Energiekrise kann zur Existenzgefährdung von Wohnungsunternehmen führen.

Wir werden Sie über die weitere Entwicklung informieren.