Der Kläger unterhält als Miteigentümer eines Wohngebäudes mit den weiteren Miteigentümern bei der Beklagten eine Wohngebäudeversicherung, welcher die „Allgemeinen Wohngebäude-Versicherungsbedingungen“ der Beklagten (im Folgenden: VGB 2008) zugrunde liegen. In Teil A VGB 2008 heißt es:
„3 Leitungswasser
1. Bruchschäden innerhalb von Gebäuden
Der Versicherer leistet Entschädigung für innerhalb von Gebäuden eintretende
…
b) frostbedingte Bruchschäden an nachfolgend genannten Installationen:
aa) Badeeinrichtungen, Waschbecken, Spülklosetts, Armaturen …
2. …
3. Nässeschäden
Der Versicherer leistet Entschädigung für versicherte Sachen, die durch bestimmungswidrig austretendes Leitungswasser zerstört oder beschädigt werden. Das Leitungswasser muss aus Rohren der Wasserversorgung …ausgetreten sein.”
In dem versicherten Gebäude kam es aufgrund der Undichtigkeit einer Silikonfuge im Duschbereich einer Wohnung zu einem Wasserschaden. Die weiteren Miteigentümer traten ihre Ansprüche an den Kläger ab. Der Kläger nimmt den beklagten Versicherer auf Versicherungsleistungen wegen eines Wasserschadens in Anspruch. Das Landgericht hat die die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers hatte Erfolg.
Im Rahmen der Revision entschied der BGH (BGH Urteil vom 20.10.2021), dass die Beklagte bei regelgerechter Auslegung der VGB 2008 nicht für Schäden aufgrund der undichten Fuge einzustehen habe. Allgemeine Versicherungsbedingungen sind so auszulegen, wie ein durchschnittlicher, um Verständnis bemühter Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs versteht…
Bei der Beurteilung der Frage, ob es sich um ein versichertes Ereignis handelt, wenn Wasser durch eine undichte Fuge zwischen einer Duschwanne und einer angrenzenden Wand gelangt, wird ein Versicherungsnehmer ….seine Aufmerksamkeit auf „Nässeschäden“ richten.
Nach VGB 2008 leistet der Versicherer Entschädigung für versicherte Sachen, die durch bestimmungswidrig austretendes Leitungswasser zerstört oder beschädigt werden. Gemäß Satz 2 der Klausel muss das Leitungswasser aus Rohren der Wasserversorgung (Zu- und Ableitungen) …ausgetreten sein. Bei einer undichten Fuge ist Wasser nicht aus Rohren der Wasserversorgung ausgetreten. In Betracht wird er dagegen die Alternative ziehen, dass Wasser aus „den mit diesem Rohrsystem verbundenen sonstigen Einrichtungen” ausgetreten ist.
Im Fall einer undichten Fuge zwischen einer Duschwanne und einer angrenzenden Wand ist Wasser auch nicht aus „den mit
diesem Rohrsystem verbundenen sonstigen Einrichtungen” ausgetreten, da die Duschwanne keine Verbindung mit dem Rohrleitungssystem hat. Die Duschwanne, die Fugen, die angrenzenden Wände und die sonstigen Bauteile einer Dusche sind auch nicht als einheitliche Einrichtung anzusehen, die über den Zulauf (Duschkopf) und Ablauf (Abwasserleitung) mit dem Rohrsystem verbunden ist. Die Beklagte ist demnach leistungsfrei, weil Wasser nicht aus einer in Teil A § 3 Nr. 3 Satz 2 VGB 2008 genannten Quelle ausgetreten ist.
Anmerkung:
Das Urteil ist nicht nur für Wohnungseigentümergemeinschaften sondern für jedes Wohnungsunternehmen von erheblicher Bedeutung, da in nahezu jedem Bad oder jeder Dusche Silikonfugen zur Abdichtung der Duschwanne oder Badewanne gegenüber Wänden, Wandfliesen oder Bodenfliesen vorhanden sind. Silikonfugen werden oftmals auch „Wartungsfugen“ genannt. Sie können reißen oder sich von der Oberfläche lösen und müssen dann erneuert werden. Für den Fall, dass dies unterbleibt ist nun geklärt, dass ein – mitunter erheblicher – Nässeschaden nicht von der Leitungswasserversicherung gedeckt ist. Mieter sind nach den mietrechtlichen Vorschriften verpflichtet, erkennbare Risse oder sonstige Beschädigungen (= Mangel der Mietsache) dem Vermieter zu melden. Noch weitergehend sind Miteigentümer aus wohnungseigentumsrechtlichen Gründen verpflichtet, erkennbare Risse oder Beschädigungen zu beseitigen. Anderenfalls entsteht bei Schäden auf Grund einsickernden Wassers ein Haftungsfall, sofern der Miteigentümer oder Mieter einen etwaig entstehenden Nässeschaden zu vertreten hat.
Es empfiehlt sich daher, Mieter bzw. Eigentümer darüber zu informieren, dass rissige Silikonfugen zu melden sind. Auch sollte bei Wohnungsübergaben in besonderem Maße darauf geachtet werden, ob Wartungsfugen nachgearbeitet werden müssen. Noch weitergehend lässt sich sogar vertreten, dass Mieter in längeren Zeitintervallen eine Überprüfung der Wartungsfugen dulden und dem Vermieter hierfür Zutritt in ihre Wohnung gewähren müssen.