Das OLG Frankfurt hat mit seiner Entscheidung vom 21.06.2022 (Az. Az. 9 U 92/20) die Bahn verpflichtet, die klagende Person nicht-binärer Geschlechtszugehörigkeit nicht dadurch zu diskriminieren, dass diese bei Vertragsschluss zwingend eine Anrede als „Herr“ oder „Frau“ angeben muss. Des Weiteren muss die Bahn eine Entschädigung in Höhe von 1.000 Euro zahlen. Hintergrund war, dass die klagende Person Inhaber einer BahnCard ist und in diesbezüglichen Schreiben sowie Newslettern der Beklagten mit der Bezeichnung „Herr“ adressiert wurde. Gleiches galt beim Online-Fahrkartenverkauf. Nach Ansicht des OLG kann die klagende Person wegen einer unmittelbaren Benachteiligung aus Gründen des Geschlechts und der sexuellen Identität bei der Begründung und Durchführung von zivilrechtlichen Schuldverhältnissen Unterlassung verlangen.
Das Urteil schließt sich an die Entscheidung des OLG Karlsruhe (Urt. v. 14.12.2021, Az. 24 U 19/21) an, welches ebenfalls eine Diskriminierung darin sah, dass ein Online Shopping Portal lediglich die Anrede „Herr“ oder „Frau“ zur Auswahl stellte, damals aber noch eine Entschädigung verneinte.
Auswirkung auf die Wohnungswirtschaft
Auch in der Wohnungswirtschaft werden vielfach Formulare (Mietinteressenten, Mietvertrag usw.) verwendet. Durch die fehlende Auswahlmöglichkeit bei der Anrede kann auch hier ein möglicher Anspruch auf Entschädigung wegen Diskriminierung gegeben sein. Ferner drohen auch weitergehende Schadensersatzansprüche
Handlungsempfehlung
Es ist dringend zu empfehlen, die verwendeten Formulare zeitnah zu prüfen und gegebenenfalls anzupassen. Dabei kann sich am Personenstandsgesetz (PStG) orientiert werden. Dieses stellt neben männlich und weiblich auch „divers“ sowie die Option, die Angabe vollständig leer zu lassen, zur Auswahl.
Bei der Adressierung und Anrede in Schreiben an beispielsweise Interessenten sollte dann ebenfalls eine neutrale Formel z.B. „Guten Tag Max Mustermann“ statt „Sehr geehrter Herr Mustermann“ Verwendung finden.
Auch wenn der Verwendung der sog. „geschlechtergerechten Sprache“ skeptisch gegenübergestanden wird, sollte die Verwendung jedenfalls der vorgenannten Anredeoptionen als rechtliche Notwendigkeit verstanden werden.