Bei der Unterbringung von Flüchtlingen in genossenschaftlichen Wohnungen stellen sich aktuell vermehrt die Fragen, ob die Flüchtlinge zwingend Genossenschaftsmitglied werden müssen bzw. ob eine genossenschaftliche Wohnung von Flüchtlingen genutzt werden darf, die nicht Mitglied der Genossenschaft sind.

Mit diesem Artikel möchten wir Sie darüber informieren, wie der GdW-Fachausschuss Recht die Fragen aus genossenschaftsrechtlicher Perspektive bewertet. Dabei wird danach unterschieden, ob die Unterbringung im sog. Dreiecksverhältnis, bspw. über die Kommune, erfolgt oder im Wege der direkten Vermietung an Flüchtlinge.

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Zum Teil erfolgt die Unterbringung im sog. Dreiecksverhältnis.
In diesen Fällen wird bspw. eine Kommune Mitglied der Genossenschaft und schließt mit der Genossenschaft einen Gewerbemietvertrag. Die Kommune stellt dann den Flüchtlingen die Wohnungen zur Verfügung.

1.1
Sofern die Satzung das sog. Nichtmitgliedergeschäft zulässt und auch erlaubt, dass Wohnungen auch von Nichtmitgliedern genutzt werden können, bestehen genossenschaftsrechtlich von vornherein grundsätzlich keine Bedenken gegen die Unterbringung im sog. Dreiecksverhältnis (siehe aber unten 1.4).

1.2
Zum Teil lassen die Satzungen das sog. Nichtmitgliedergeschäft grundsätzlich zu, aber regeln, dass Wohnungen ausschließlich von Mitgliedern genutzt werden können. Hier wird differenziert zwischen Gewerberäumen und Wohnungen. Erstere dürfen auch von Nichtmitgliedern genutzt werden, letztere nur von Mitgliedern.

Im Ergebnis geht der GdW-Fachausschuss Recht davon aus, dass kein Satzungsverstoß vorliegt, wenn Flüchtlinge bei dieser Satzungskonstellation im sog. Dreiecksverhältnis untergebracht werden. Auch in diesem Fall kann noch von einer „Nutzung” der Wohnung durch ein Mitglied (Kommune) gesprochen werden.

1.3
Teilweise schließen die Satzungen das sog. Nichtmitgliedergeschäft aus und regeln zusätzlich, dass Wohnungen ausschließlich von Mitgliedern genutzt werden können. Im Ergebnis geht der GdW-Fachausschuss Recht auch in diesem Fall davon aus, dass kein Satzungsverstoß vorliegt, wenn Flüchtlinge bei dieser Satzungskonstellation im sog. Dreiecksverhältnis untergebracht werden. Auch wenn die Wohnung von einem Nichtmitglied bewohnt wird, liegt aus genossenschaftsrechtlicher Sicht ein Mitgliedergeschäft vor, da die Kommune als Mitglied mit der Genossenschaft den Gewerbemietvertrag abschließt.

1.4
Zu beachten ist in allen Konstellationen die allgemeine Voraussetzung, dass Mitglieder, die ggf. auch schon lange auf eine Wohnung warten, nicht benachteiligt werden dürfen. Etwaig bestehende „Richtlinien für die Vergabe von Genossenschaftswohnungen” und die dort ggf. normierten Ausnahmetatbestände (z. B. Abweichen unter Berücksichtigung humanitärer und/oder sozialer Dringlichkeiten) sind zu beachten und Abweichungen sind zu begrün-
den und zu dokumentieren.

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Die Unterbringung von Flüchtlingen erfolgt zum Teil dadurch, dass Nutzungsverträge unmittelbar mit Flüchtlingen geschlossen werden. Auch insoweit stellt sich die Frage nach der Satzungskonformität, jedenfalls dann, wenn die Flüchtlinge nicht Mitglied der Genossenschaft werden. Sollten die Flüchtlinge Mitglied werden, bestehen insoweit keine Bedenken, wobei auch insoweit die allgemeinen Vergabekriterien zu beachten sind.
2.1
Sofern die Satzung das sog. Nichtmitgliedergeschäft zulässt und auch erlaubt, dass Wohnungen auch von Nichtmitgliedern genutzt werden können, bestehen genossenschaftsrechtlich grundsätzlich keine Bedenken gegen die Unterbringung; und zwar auch dann nicht, wenn der Flüchtling kein Mitglied der eG wird (siehe aber unten 2.3).

2.2
Lässt die Satzung das sog. Nichtmitgliedergeschäft grundsätzlich zu, regelt aber, dass Wohnungen ausschließlich von Mitgliedern genutzt werden können, ist der GdW-Fachausschuss Recht der Ansicht, dass ein Satzungsverstoß vorliegt, da die Wohnung nicht durch ein Mitglied genutzt wird. Wenn das Nichtmitgliedergeschäft grundsätzlich ausgeschlossen ist, ist der GdW-Fachausschuss Recht ebenfalls der Ansicht, dass ein Satzungsverstoß vorliegt.

2.3
Sofern es staatliche Unterstützung für den Erwerb der Mitgliedschaft gibt und diese in Anspruch genommen werden kann, sollte geprüft werden, ob davon Gebrauch gemacht wird, um rechtliche Risiken bezüglich der Wohnungsnutzung durch Nichtmitglieder auszuschließen.

2.4
Zu beachten ist auch bei diesen Konstellationen die allgemeine Voraussetzung, dass Mitglieder, die ggf. auch schon lange auf eine Wohnung warten, nicht benachteiligt werden dürfen (siehe bereits oben 1.4).

3
Sofern ein Satzungsverstoß angenommen wird, sollte dies nach Einschätzung des GdW-Fachausschusses Recht im Regelfall jedoch nicht dazu führen, dass ein Verstoß gegen die Ordnungsmäßigkeit der Geschäftsführung vorliegt. Jedenfalls dann nicht, wenn kein Schaden für die Mitglieder entsteht und Vorstand und Aufsichtsrat nach gemeinsamer Beratung sorgfältig abgewogen haben, dass die humanitären Aspekte im Vordergrund stehen und humanitäre Hilfe zum Selbstverständnis der Genossenschaft gehört und diese Hilfe nicht an der formalen Einhaltung der satzungsrechtlichen Restriktionen scheitern darf.