Kommentar: Verbandsdirektor Hans Maier
Seit mehr als 150 Jahren stehen sozial orientierte Wohnungsunternehmen in Bayern für den Bau bezahlbarer Wohnungen. Eine Mammutaufgabe, die auch nach 15 Jahrzehnten noch nicht beendet ist. Mit Blick auf die dramatischen Ereignisse in der Ukraine und die bisher mehr als 250.000 Flüchtlinge, die in Deutschland Zuflucht gesucht haben, wird vor dem Hintergrund der angespannten Wohnungsmärkte eine neue große Herausforderung auf Politik und Wohnungswirtschaft zukommen.
Das Geschäftsmodell „Wohnraum für breite Schichten der Bevölkerung“ und den Einsatz für das Gemeinwohl gab es schon, bevor die ersten gesetzlichen Regelungen für eine Wohnungsgemeinnützigkeit entstanden sind. Die Anfänge dieses politischen Instruments zur steuerlichen Förderung von gemeinwohlorientierten Wohnungsunternehmen liegen im späten 19. Jahrhundert. Die Verbandsmitglieder haben über einen sehr langen Zeitraum unter diesem Siegel agiert und sind hierbei erfolgreich ihrem Auftrag der sozialen Wohnraumversorgung nachgekommen.
Mein eigener Berufsstart beim Verband bayerischer Wohnungsunternehmen im März 1989 fällt mit dem Ende der Wohnungsgemeinnützigkeit zusammen. Der Verband, den ich heute als Vorstand repräsentieren darf, hatte sich jahrelang für den Erhalt dieses Instruments eingesetzt. Heute, 32 Jahre nach dem Ende der Gemeinnützigkeit, kann man allerdings feststellen: Die Wohnungsunternehmen haben sich bestens in diesem Umfeld entwickelt, sind aber ihrer sozialen Ausrichtung treu geblieben. Die ehemals gemeinnützigen Unternehmen sind also nicht von der Bildfläche verschwunden – wenn sie nicht von Politik, Gewerkschaften oder Firmen mit anderen Kerngeschäftsfeldern veräußert worden sind. Die Wohnungsgenossenschaften, kommunalen, kirchlichen und freien Wohnungsunternehmen im VdW Bayern gehen nach wie vor ihrem satzungsmäßigen oder selbst gewählten Auftrag nach: Dem Bau und der Bewirtschaftung von Wohnraum zu bezahlbaren, aber wirtschaftlichen Konditionen.
Die Unternehmen sind wichtige Partner des Freistaats Bayern und der Kommunen. Seitdem die Staatsregierung 2015 vor dem Hintergrund zunehmend angespannter Wohnungsmärkte den „Wohnungspakt Bayern“ ausgerufen hat, haben diese Unternehmen ihre Investitionen in den Wohnungsneubau mehr als verdoppelt. Auch bei den Sozialwohnungen wurde eine Trendwende geschafft. In den letzten Jahren wurden im Kreis der Mitgliedsunternehmen regelmäßig wieder mehr geförderte Wohnungen gebaut, als in ganz Bayern Abgänge aus der Sozialbindung zu verzeichnen waren. Und: Die Wohnungen dieser Unternehmen stehen unabhängig von der Bindung dauerhaft für die Versorgung der Bevölkerung mit bezahlbarem Wohnraum zur Verfügung.
Darüber hinaus gibt es viele weitere Handlungsfelder, die sich die Verbandsmitglieder seit dem Ende der Wohnungsgemeinnützigkeit erschlossen haben. Ganz besonders mit der Übernahme von sozialen Infrastrukturprojekten wie dem Bau von Kindertagesstätten, Schulen, Büchereien, aber auch dem Einsatz von erneuerbaren Energien oder Mobilitätslösungen schaffen die Wohnungsunternehmen einen echten Mehrwert für ihre Kommunen und die Mieterinnen und Mieter. Diese Leistungen wären bis 1989 unmöglich gewesen, denn die Unternehmen hätten damit ihre Steuerbefreiung verloren.
Never change a running system – heißt es so schön. Was ist also jetzt im Jahr 2022 das große Argument, mit dem die Gemeinnützigkeit wieder aus der Schublade geholt werden soll? Der Koalitionsvertrag spricht von einer neuen Dynamik, die durch steuerliche Förderung und eine dauerhafte Sozialbindung entstehen soll. In Bayern erleben wir bereits in den letzten Jahren eine ganz neue Dynamik bei den gemeinwohlorientierten Akteuren. Der Freistaat Bayern ist bei der Gründung von Wohnungsgenossenschaften bundesweiter Spitzenreiter. Und auch die Kommunen sind bei der Neugründung eigener Wohnungsbaugesellschaften aktiv.
Braucht es also eine neue Gemeinnützigkeit? Mit der Einführung einer „neuen Gemeinnützigkeit“, wie die auch immer aussehen mag, ist es nicht getan. Wenn man den bezahlbaren Wohnungsbau ankurbeln will, dann brauchen alle, ob sie nun „neu gemeinnützig“ sind oder wie unsere Verbandsmitglieder gemeinwohlorientiert, an erster Stelle bezahlbares Bauland. An zweiter Stelle steht eine kontinuierliche und fair ausgestattete Wohnraumförderung, die mit Zuschüssen die dramatischen Baukostensteigerungen der letzten Jahre auffängt. Dann können die neu errichteten Wohnungen für die späteren Bewohner auch wirklich bezahlbar sein.
Die neue Gemeinnützigkeit schadet nicht, wirklich gebraucht wird sie aber nicht, da gibt es dringendere Handlungsnotwendigkeiten. Was der Wohnungswirtschaft wirklich helfen würde, sind langfristig sichere und planbare Rahmenbedingungen. Neue Wohnungen entstehen nur mit Geld und nicht mit einer Gemeinnützigkeit.
Der Koalitionsvertrag enthält gute Ansätze und Ziele. In einem Bündnis für bezahlbares Wohnen würden wir unsere Erfahrungen gerne einbringen. Denn die Herausforderung, schnell bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, ist aktuell so dringend wie lange nicht mehr.
Abschließend noch eine Anmerkung zum nachfolgenden Beitrag „Contra Wohnungsgemeinnützigkeit”. Das hohe Lied auf die Subjektförderung können wir absolut nicht singen. Diese hilft nur den Wohnenden, nicht aber den Menschen auf der Wohnungssuche.
Der „Gustav” war das einheitliche Logo der gemeinnützigen Wohnungswirtschaft bis zum Jahr 1990.
Bild: Büro Roman Lorenz