Die durch den Krieg in der Ukraine ausgelöste Flüchtlingswelle stellt auch Bayern vor Herausforderungen. Innerhalb der sozialorientierten Wohnungswirtschaft ist die Bereitschaft, mit der Zurverfügungstellung von Wohnungen zu helfen, sehr groß. Gleichzeitig besteht erhebliche Unsicherheit darüber, welche Handlungsalternativen es im Rahmen dieser Hilfeleistung für die Wohnungsunternehmen gibt und wie die rechtlichen Rahmenbedingungen beschaffen sind. Im Folgenden sollen – im Rahmen einer ersten Information – zunächst die grundlegend gegebenen rechtlichen Wege aufgezählt werden, auf denen eine Hilfe in Form der Wohnraumüberlassung denkbar ist, und welche Folgen sich hieraus für die Wohnungsunternehmen ergeben (können).
1. Weichenstellung: entgeltlich oder unentgeltlich
Die Überlassung einer Wohnung an eine Person mit dringendem Wohnbedarf kann gegen Entgelt (Miete) oder unentgeltlich (Leihe) erfolgen. Wird für die Gebrauchsüberlassung der Wohnung kein Entgelt verlangt, dann liegt eine Leihe vor. Dies bedeutet, dass das Wohnungsunternehmen dem Grunde nach jederzeit die Wohnung zurückverlangen kann. An die Bestimmungen und weitreichenden Beschränkungen, die im Wohnraummietrecht für Vermieter gelten, wäre das Wohnungsunternehmen in diesem Fall nicht gebunden. Eine freie Wohnung kann aber auch, wie im Normalfall, gegen Entgelt (Mietzahlung) an die Person mit dringendem Wohnbedarf überlassen werden. In diesem Fall liegt ein ganz normales Wohnraummietverhältnis vor. Es gilt der umfängliche Mieterschutz. Der Vermieter kann das Mietverhältnis „nicht so einfach“ beenden. Er benötigt hierzu vielmehr ein „berechtigtes Interesse“ (§ 573 BGB). Eine zeitliche Befristung wäre an die (wenigen) gesetzlich anerkannten Befristungsgründe gebunden
(§ 575 BGB, der einzig „gebrauchsfähige“ Befristungsgrund: eine absehbare Beseitigung oder wesentliche Veränderung bzw. Instandsetzung der Räume nach Ablauf der Befristung). Der Mieter wäre zur Zahlung der Miete verpflichtet. Im Verzugsfall käme die Kündigung in Betracht.
2. Weichenstellung: Das Wohnungsunternehmen nimmt Kriegsflüchtlinge auf
Es wird wahrscheinlich so sein, dass die Geflohenen kein Bargeld haben und an ein solches auch im elektronischen Wege nicht herankommen. Andererseits besteht für die Geflohenen im Falle einer Registrierung die Möglichkeit, Transferleistungen zu beziehen, auch im Hinblick auf die Wohnkosten. Das Wohnungsunternehmen muss sich im Vorfeld überlegen, wie es sich mit seiner Hilfeleistung – auch der Öffentlichkeit gegenüber – präsentieren möchte. Will es unentgeltlich helfen? Oder will es durch „Vermietung“ helfen? Sind Wohnungen überhaupt verfügbar? Im Falle einer Vermietung wird oft gefragt, ob man ein sog. „kurzfristiges“ Mietverhältnis nach § 549 Abs. 2 Nr. 1 BGB abschließen könnte. In einem solchen, gesetzlich definierten Mietverhältnis wären die Erschwerungen für die fristgerechte Kündigung beispielsweise nicht anwendbar, sodass der Vermieter „Beendigungssicherheit“ auch außerhalb eines Zahlungsverzuges mit der Miete hätte. Hierzu ist anzumerken, dass im jetzigen Zeitpunkt überhaupt nicht vorhergesagt werden kann, wie lange der Fluchtgrund insgesamt, auf die politische Lage bezogen, bestehen bleibt. Und ebenfalls, ob der individuelle Fluchtgrund der jeweiligen Personen eher zu einem kurzfristigen oder doch zu einem langfristigen Aufenthalt führt. Ob der Krieg für die Begründung eines solchen speziellen Mietverhältnisses geeignet ist, ist in der Fachwelt nicht ganz eindeutig beantwortet. Nach der hier vertretenen Auffassung wird man dies wohl bejahen können. Angezweifelt wird jedoch, im Sinne des vorstehend Gesagten, dass die Beendigung des Kriegs als Fluchtgrund nicht sicher vorhergesagt werden kann. Ein Risiko für die Beendigungsmöglichkeit ist somit nicht auszuschließen. Eine Befristung ist nicht ohne weiteres möglich. Einen Befristungsgrund „Aufnahme von Kriegsflüchtlingen“ gibt es nicht (§ 575 BGB, siehe sogleich, weiter unten). Derartige Befristungsversuche würden also zu einem unbefristeten Mietvertrag führen, der vom Vermieter auf Grund des Wohnraumschutzes nicht mehr leicht beendet werden kann.
Besonderheiten für Wohnungsgenossenschaften: Mitgliedschaft
Wohnungsgenossenschaften (sog. „Vermietungsgenossenschaften“) müssen auf den Erhalt ihrer möglicherweise gegebenen Steuerbefreiung (ggf. auch für eine erweiterte Gewerbesteuer-Kürzung) aufpassen. Dies ist ein sehr komplexes Thema, das im vorliegenden Rahmen nicht ansatzweise erschöpfend behandelt werden kann (es gibt eine Initiative des GdW beim Bundesfinanzministerium hierzu, zu einer Klarstellung, ähnlich, wie bei der Unterbringung von Obdachlosen). Hierzu bitte im Bedarfsfall dringend die Steuerberatung aufsuchen. Die Eckdaten lauten: 10%-Grenze bei fehlender Mitgliedschaft. Oder man macht die einzumietenden Personen zu Mitgliedern, so, wie im ganz normalen Geschäftsgang. Hier natürlich wieder: die Frage einer Finanzierung der Anteile. Auch satzungsrechtlich kann es zu Fragestellungen kommen, falls die Satzung nur das Mitgliedergeschäft ausdrücklich zulässt. Die Einmietung von Nichtmitgliedern wäre dann wohl ein Satzungsverstoß. Daher wieder die Ausgangsüberlegung: vielleicht besser keine Einmietung, sondern unentgeltliche Überlassung der Wohnung? Wie sieht es bei der unentgeltlichen Überlassung mit der Vermögensbetreuungspflicht der Organe Vorstand und ggf. Aufsichtsrat aus? Geschieht dies in besagter Ausnahmesituation und gefährdet der Verzicht auf Einnahmen nicht den Bestand oder die Entwicklung der Genossenschaft, dann ist ein solches Vorgehen nach der hier vertretenen Auffassung zulässig. Es ist zu vergleichen mit dem sog. „Sponsoring“, bei dem eine ähnliche finanzielle Grundkonstellation gegeben ist. Dies hat der Bundesgerichtshof in Strafsachen grundlegend für zulässig gehalten, und zwar sogar im Fall einer nicht so guten wirtschaftlichen Lage des spendenden Unternehmens.
3. Weichenstellung: Stadt/Gemeinde oder private Träger der Wohlfahrtpflege
Die Gewährung einer Wohnmöglichkeit könnte rechtlich auch im sog. „Dreiecksverhältnis“ erfolgen. Hier vermietet das Wohnungsunternehmen an eine öffentlich-rechtliche juristische Person (z.B. Stadt oder Gemeinde) oder an einen anerkannten privaten Träger der Wohlfahrtspflege (z.B. Caritas, Diakonie. AWO o.ä.). Dieser „Zwischenmieter“ überlässt den Wohnraum dann den natürlichen Personen, die in der Wohnung leben sollen. Es entstehen hier somit zwei Mietverhältnisse. Das 1. Mietverhältnis zwischen dem Wohnungsunternehmen und dem Zwischenmieter ist seiner Natur nach ein gewerbliches Mietverhältnis (über Wohnräume; Zweck: zur Weitervermietung an Dritte). Das 2. Mietverhältnis ist dagegen ein klassisches Wohnraummietverhältnis. Abzugrenzen ist dies von der sog. „gewerblichen Weitervermietung“ (§ 565 BGB). Die gewerbliche Weitervermietung liegt nur vor, wenn im 1. Mietvertrag von vornherein klar ist, dass die Weitervermietung mit Gewinnerzielungsabsicht erfolgt. Liegt es jedoch auf der Hand, wie in unserer Thematik gegeben, dass dies keine Rolle spielen soll, dann scheidet die gewerbliche Weitervermietung aus. Das Vorliegen einer gewerblichen Weitervermietung hätte zur Folge, dass bei Beendigung des 1. Mietvertrages zwischen dem Wohnungsunternehmen und dem Zwischenmieter (z.B. Stadt) das Wohnungsunternehmen in den 2. Mietvertrag mit den in der Wohnung wohnenden Personen eintritt. Dieses Ergebnis wird von den Wohnungsunternehmen regelmäßig nicht gewünscht. Vielmehr wollen diese eine „Beendigungssicherheit“, um zu einem gegebenen Zeitpunkt wieder über ihre Wohnungen verfügen zu können. Im Rahmen der sog. „caritativen“ Vermietung würde die Beendigung des 1. Mietvertrags dazu führen, dass die Bewohner im 2. Mietvertrag die Wohnung räumen müssten. Der aus sozialen Gründen Eingemietete hat hier also keinen Bestandsschutz. Zudem kann sogar in seinem Mietvertrag (2. Mietvertrag) der Wohnraumschutz eingeschränkt werden, sofern er in seinem Mietvertrag durch den Zwischenmieter auf diese Besonderheit hingewiesen wurde (§ 549 Abs. 2 Nr. 3 BGB).
In einer der jüngeren Reformen zum Wohnraummietrecht hatte der Gesetzgeber für diese Konstellation eine Neuerung entwickelt, die den Ursprungsvermieter, also das Wohnungsunternehmen, leider schlechter stellt, als es zuvor der Fall gewesen war. In § 578 Abs.3 BGB wurde angeordnet, dass der 1. Mietvertrag seiner Natur nach zwar ein gewerblicher Mietvertrag bleibe, dass auf diesen jedoch die meisten Vorschriften des Wohnraumschutzes anzuwenden seien. Damit liegt von der Sache her betrachtet, pointiert formuliert, auch zwischen dem Wohnungsunternehmen und der Stadt ein „wohnraumgeprägtes“ Mietverhältnis vor. Dies hat zur Folge, dass dieser gewerbliche Mietvertrag über die Weiterüberlassung von Wohnungen an wohnbedürftige Dritte nicht mehr so einfach befristet werden kann, wie bei gewerblichen Mietverträgen üblich. Auch die ordentliche fristgerechte Kündigung durch das Wohnungsunternehmen ist nun nicht mehr „frei“ möglich, sondern hängt vom Vorliegen eines „berechtigten Interesses“ ab (§ 573 BGB). Das Wohnungsunternehmen hat also im 1. Mietvertag weder eine „Laufzeitsicherheit“ (weil die Unwirksamkeit der Befristung zu einem unbefristeten Vertrag führt), noch eine „Beendigungssicherheit“ (weil der Ausstieg aus diesem dann unbefristeten Vertrag nur mit gerichtlich überprüfbarer Begründung möglich ist). Der Gesetzgeber hat hierdurch den hilfsbereiten Vermietern erhebliche Vertrags-Risiken aufgebürdet, die die Bereitschaft, Wohnraum für diese guten Zwecke zur Verfügung zu stellen, konterkarieren.
Möchte das Wohnungsunternehmen „Laufzeitsicherheit“, etwa weil es ein Gebäude für den guten Zweck neu erstellt und mit den (vermeintlich) sicheren Mieteinnahmen die Investitionskosten wieder einspielen möchte und muss, dann müsste man mit beiderseitigen Kündigungsverzichten arbeiten. Eine Beendigungssicherheit erhält es dadurch aber nicht, da nach dem Auslaufen des Kündigungsverzichtes weiter ein unbefristetes Mietverhältnis zum Zwischenmieter besteht, das nur mit Begründung gekündigt werden kann. In dieser Dreieckskonstellation hat das vermietende Wohnungsunternehmen daher keine Sicherheit, die Wohnungen zu einem bestimmten Zeitpunkt „sicher“ wieder zurückzuerhalten. Nur wenn die Überlassung der Wohnung an die „dritten“ Personen unentgeltlich erfolgt, im Sinne einer öffentlich-rechtlich geprägten „Auffang-Unterbringung“ (Notversorgung, Daseinsvorsorge, öffentlich-rechtliche Gefahrenabwehr), bliebe es bei der alten Rechtslage, wonach das 1. Mietverhältnis zwischen Wohnungsunternehmen und Zwischenmieter (z.B. Stadt) ein rein gewerbliches Mietverhältnis ist, in welchem daher auch wirksam befristet werden kann, oder in welchem die ordentliche Kündigung auch des Vermieters nicht begründungspflichtig ist.
4. Weichenstellung: Mieter nehmen Flüchtlinge in ihre Wohnung auf
Der Vermieter kann auch dadurch helfen, dass er es den Mietern gestattet oder zumindest nicht unnötig schwer macht, dass diese, also die Mieter, Geflohene in ihre Wohnung aufnehmen, etwa weil dort genug Platz vorhanden ist. Hier befinden wir uns dann im Themenbereich „Gebrauchsüberlassung der Wohnung an Dritte durch den Mieter“. Es bestehen auch hier die beiden eingangs genannten Schienen der Entgeltlichkeit einerseits, und der Unentgeltlichkeit andererseits. Ohne auf alle Einzelheiten eingehen zu können, wird man hierzu sagen dürfen, dass es im Regelfall bei der Aufnahme geflohener Personen in die Wohnung der Zustimmung des Vermieters bedarf. Es dürfte sich im Regelfall nicht um die sog. „Nähe-Personen“ handeln, bei deren Aufnahmen eine Zustimmung des Vermieters nicht erforderlich ist. Dies kann aber auch anders sein, z.B. falls eine ukrainische Mieterin, die schon länger in dieser Wohnung wohnt, ihren Vater aus der Ukraine nach Deutschland holt und aufnehmen möchte. Die Gebrauchsüberlassung kann die gesamte Wohnung zum unselbstständigen Mitgebrauch durch den Aufgenommenen beinhalten oder einzelne Zimmer, zusammen mit der Nutzung von Bad und Küche. Die Gebrauchsüberlassung an Dritte kann unentgeltlich oder entgeltlich (dann: Untervermietung) sein.
Anmerkung
Die vorstehende Erläuterung möchte nur die rechtlichen Wege und Kategorien, in denen sich eine Überlassung von Wohnraum abspielen kann, aufzeigen. Hiermit ist keine Vorweg-Empfehlung für einen dieser gangbaren Wege verbunden. Diese Entscheidung muss und darf jedes Wohnungsunternehmen, nach interner Diskussion, vielmehr selbst treffen.