Der Kläger (Mieter) mietete vom Beklagten eine Wohnung ohne diese vor Vertragsabschluss besichtigt zu haben im Wege der Fernkommunikation (alle Kommunikationsmittel, die zur Anbahnung oder zum Abschluss eines Vertrags eingesetzt werden können, ohne dass die Vertragsparteien gleichzeitig körperlich anwesend sind, wie z.B. Briefe, Telefonanrufe, E-Mails, SMS sowie Rundfunk und Telemedien). Der Vermieter erteilte keine Widerrufsbelehrung, die nur dann nicht erforderlich gewesen wäre, wenn der Mieter die Wohnung vor Vertragsabschluss besichtigt hätte. Ohne die erforderliche Widerrufsbelehrung hat ein Mieter ein Widerrufsrecht bis zum Ablauf von 1 Jahr und 14 Tagen seit Vertragsabschluss.

Im vorliegenden Fall widerrief der Mieter seinen Mietvertrag kurz vor Ablauf dieser Frist, also nach über einem Jahr und verlangte vom Vermieter alle geleisteten Mietzahlungen zurück. Der Vermieter wollte im Gegenzug für diesen Zeitraum Nutzungsentschädigung vom Mieter haben. Das Landgericht entschied, dass der Mieter sämtliche Mieten (dem Wortlaut nach müssten hierzu auch gezahlte Betriebskostenvorauszahlungen gehören) zurückerhält, aber selbst keine Nutzungsentschädigung zu zahlen hat. In Fällen fehlender Widerrufsbelehrung sei allein § 357 Abs.8 Satz 2 BGB anzuwenden, der hier keine Nutzungsentschädigung gewährt.

§ 546a BGB (Entschädigung des Vermieters bei verspäteter Rückgabe) wird vom LG nicht angesprochen und ist wohl auch nicht einschlägig, da bis zum Widerruf keine verspätete Rückgabe vorliegt. Der Widerruf führt zu einem „Rückabwicklungsverhältnis „ex nunc“ (ab jetzt).

Da es bislang höchstrichterlich ungeklärt ist, ob und gegebenenfalls unter welchen Umständen der Mieter in Fällen fehlender Widerrufsbelehrung für den Zeitraum bis zum wirksamen Widerruf des Mietvertrages Wert- oder Nutzungsersatz für die Ingebrauchnahme der Mietsache an den Vermieter zu leisten hat, ließ das LG Berlin die Revision zu (LG Berlin Urteil vom 21.10.2021, Wz. 67 S 140/21). Diese wurde vom Kläger auch tatsächlich eingelegt und läuft derzeit.

Anmerkung:
Wird ein Mietvertrag im Wege des Fernabsatzes oder außerhalb der Geschäftsräume des Vermieters abgeschlossen, dann hat der Mieter ein 14-tägiges Widerrufsrecht, das bei Ausübung zur Rückabwicklung des Vertragsverhältnisses führt. Das gilt nur dann nicht, wenn der Mieter die Wohnung vor Vertragsabschluss besichtigt hat. Über sein Widerrufsrecht ist der Mieter mittels einer „Widerrufsbelehrung“ zu belehren. An diese sind rechtliche Anforderungen gestellt, der Verband kann hierbei helfen. Wird eine erforderliche Widerrufsbelehrung nicht erteilt, so verlängert sich das Widerrufsrecht des Mieters um 1 Jahr, sodass er bis maximal
1 Jahr und 14 Tage widerrufen kann.

Man sieht an diesem Fall, dass vom Gesetz vorgesehene Widerrufsbelehrungen unbedingt form- und fristgemäß zu erteilen sind, um „Rückabwicklungsärger“ zu vermeiden. Der vorliegende Fall ist allerdings auch für uns Juristen ziemlich „krass“. Ob der BGH das so bestätigt, bleibt daher abzuwarten. Wir werden berichten, wie das Verfahren vor dem BGH ausgeht.

Liegt dagegen der in der Praxis normale Fall vor, dass ein Mieter die Wohnung besichtigt und dann den Mietvertrag unterschreibt, dann ist die geschilderte Widerrufsthematik gegenstandslos.