Die Kläger sind seit dem Jahr 2011 Mieter einer in einem Mehrfamilienhaus gelegenen Wohnung der Beklagten in Berlin. Ab November 2017 errichtete die Streithelferin der Beklagten auf einem Grundstück auf der gegenüberliegenden Straßenseite, welches bis dahin als Kleingartenkolonie genutzt worden war, vier Wohngebäude mit sechs bis acht Vollgeschossen samt Unterkellerung und einer Tiefgarage.
Die Kläger hielten wegen des durch diese Baustelle auf ihre Wohnung einwirkenden Baulärms sowie wegen mit den Baumaßnahmen verbundener Staubentwicklung eine Mietminderung von 30% für angebracht und klagten auf Rückzahlung zu viel gezahlter Miete sowie auf Feststellung, dass die Miete bis zum Abschluss der Außenbauarbeiten in dieser Höhe gemindert sei. Sie bekamen vor dem Amtsgericht und dem Landgericht als Berufungsgericht recht, über die Revision des Beklagten entschied der BGH (BGH vom 24.11.2021, Az. VIII ZR 258/19):
1.
Nach Abschluss des Mietvertrags eintretende erhöhte Lärm- und Schmutzimmissionen begründen, auch wenn sie von einer auf einem Nachbargrundstück eines Dritten betriebenen Baustelle herrühren, bei Fehlen anderslautender Beschaffenheitsvereinbarungen grundsätzlich keinen gemäß § 536 Abs. 1 Satz 1 BGB zur Mietminderung berechtigenden Mangel der Mietwohnung, wenn auch der Vermieter die Immissionen ohne eigene Abwehr- oder Entschädigungsmöglichkeit nach § 906 BGB hinnehmen muss.
Der Mieter hat darzulegen und erforderlichenfalls zu beweisen, dass die von ihm angemietete Wohnung Immissionen der vorbezeichneten Art ausgesetzt ist, die die Gebrauchstauglichkeit der Wohnung unmittelbar beeinträchtigen, und dass es sich hierbei um eine wesentliche Beeinträchtigung im Sinne des § 906 Abs. 1 Satz 1 BGB handelt.
Beruft sich der Vermieter gegenüber dem Wohnungsmieter darauf, Ansprüche nach § 906 BGB gegen den Verursacher nicht zu haben, hat er diejenigen Tatsachen, seien sie personen- oder grundstücksbezogen, vorzubringen und im Falle des Bestreitens zu beweisen, die dazu führen, dass weder Abwehr- noch Entschädigungsansprüche bestehen.
2:
Etwas Anderes gilt nur, wenn eine anderslautende Beschaffenheitsvereinbarung zwischen Vermieter und Mieter getroffen worden wäre. Im vorliegenden Fall gab es keine ausdrückliche entsprechende Beschaffenheitsvereinbarung. Eine anderslautende Beschaffenheitsvereinbarung der Mietvertragsparteien kann nicht mit der Begründung bejaht werden, die Freiheit der Wohnung von Baulärm werde regelmäßig stillschweigend zum Gegenstand einer entsprechenden Abrede der Mietvertragsparteien. Da der Vermieter regelmäßig keinen Einfluss darauf hat, dass die zu Mietbeginn bestehenden Verhältnisse während der gesamten Dauer des Mietvertrags unverändert fortbestehen, kann der Mieter daher im Allgemeinen nicht erwarten, dass der Vermieter die vertragliche Haftung für den Fortbestand derartiger „Umweltbedingungen” übernehmen will. Die Annahme einer dahingehenden konkludenten Beschaffenheitsvereinbarung wird deshalb allenfalls in besonderen Ausnahmefällen in Betracht kommen und jedenfalls konkrete Anhaltspunkte für die Übernahme einer so weitgehenden und vom Vermieter nicht beherrschbaren Haftung voraussetzen.
Den Klägern stand daher kein Minderungsrecht zu.
Anmerkung für die Praxis – sofern keine entsprechende Beschaffenheitsvereinbarung vorliegt:
Finden auf dem Nachbargrundstück oder in „relevanter“ Nähe Bauarbeiten statt und ein Mieter macht Minderung geltend, so hat er darzulegen bzw. zu beweisen, dass diese wesentlich im Sinn des § 906 BGB sind. Wesentlich ist, was nicht unwesentlich im Sinn des § 906 Abs. 1 BGB ist. § 906 BGB bezieht sich auf den Eigentümer, gilt aber entsprechend auch für Mieter.
Liegt demnach eine wesentliche Beeinträchtigung vor, dann muss der Vermieter darlegen bzw. beweisen, dass er gegen den Verursacher keine Abwehr- oder Entschädigungsansprüche hat.
Sofern der Bauherr die einschlägigen, insbesondere immisionsrechtlichen Regelungen einhält, dürfte der Vermieter keine Abwehr-oder Entschädigungsansprüche haben mit der Folge, dass auch der Mieter kein Recht auf Minderung hat.
1 § 906 Zuführung unwägbarer Stoffe
(1) Der Eigentümer eines Grundstücks kann die Zuführung von Gasen, Dämpfen, Gerüchen, Rauch, Ruß, Wärme, Geräusch, Erschütterungen und ähnliche von einem anderen Grundstück ausgehende Einwirkungen insoweit nicht verbieten, als die Einwirkung die Benutzung seines Grundstücks nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigt. Eine unwesentliche Beeinträchtigung liegt in der Regel vor, wenn die in Gesetzen oder Rechtsverordnungen festgelegten Grenz- oder Richtwerte von den nach diesen Vorschriften ermittelten und bewerteten Einwirkungen nicht überschritten werden. Gleiches gilt für Werte in allgemeinen Verwaltungsvorschriften, die nach § 48 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes erlassen worden sind und den Stand der Technik wiedergeben.
(2) Das Gleiche gilt insoweit, als eine wesentliche Beeinträchtigung durch eine ortsübliche Benutzung des anderen Grundstücks herbeigeführt wird und nicht durch Maßnahmen verhindert werden kann, die Benutzern dieser Art wirtschaftlich zumutbar sind. Hat der Eigentümer hiernach eine Einwirkung zu dulden, so kann er von dem Benutzer des anderen Grundstücks einen angemessenen Ausgleich in Geld verlangen, wenn die Einwirkung eine ortsübliche Benutzung seines Grundstücks oder dessen Ertrag über das zumutbare Maß hinaus beeinträchtigt.