BGH, Urteil vom 12.01.2021, Az: XII ZR 8/21
In dem vor dem BGH am 01.12.2021 verhandelten Musterfall aus Sachsen, über welchen wir in der vdw aktuell 24/2021 berichtet hatten, ist die erwartete Entscheidung gefallen.
Im konkreten Fall ging es um die Miete für eine Filiale eines großen Textil-Discounters im Raum Chemnitz, die vom 19. März bis zum 19. April 2020 schließen musste. Der Vermieter forderte die volle Miete von rund 7.850 Euro.
Mieter und Vermieter – so der BGH – seien durch die staatlichen Corona-Maßnahmen belastet, keine Seite trägt allein Verantwortung. Zunächst ist die Anwendbarkeit der mietrechtlichen Gewährleistungsvorschriften und der Regelungen des allgemeinen schuldrechtlichen Leistungsstörungsrechts, insbesondere des § 313 BGB zum Wegfall der Geschäftsgrundlage, nicht durch die für die Zeit vom 1. April 2020 bis zum 30. September 2022 geltende Vorschrift des Art. 240 § 2 EGBGB, mit dem die Kündigungsmöglichkeit des Vermieters wegen eines coronabedingten Zahlungsverzugs des Mieters ausgesetzt wurde, ausgeschlossen. Zudem hält der BGH fest, dass auch für den Zeitraum vor der Einführung der gesetzlichen Vermutung einer schwerwiegenden Störung der Geschäftsgrundlage (vgl. Art. 240 § 7 EGBGB) infolge staatlich verordneter Corona-Maßnahmen gelte, dass Mieter gewerblich genutzter Räume wegen eines Corona-Lockdowns grundsätzlich einen Anspruch auf eine Anpassung der Miete haben können.
Ein Mangel des Mietgegenstands i.S.v. § 536 Abs. 1 Satz 1 BGB scheidet allerdings aus, da die Gebrauchsbeschränkung nicht unmittelbar mit der konkreten Beschaffenheit, dem Zustand oder der Lage des Mietobjekts in Zusammenhang steht. Dem Mieter von gewerblich genutzten Räumen kann jedoch im Fall allgemein verfügter Geschäftsschließungen grundsätzlich ein Anspruch auf Anpassung der Miete gemäß § 313 Abs. 1 BGB zustehen, da sich durch die COVID-19-Pandemie und die damit verbundenen weitreichenden Beschränkungen des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Lebens die Geschäftsgrundlage für den zwischen den Parteien abgeschlossenen Mietvertrag schwerwiegend geändert hat.
Eine pauschale, hälftige Risikoverteilung sei indessen nicht sachgerecht, vielmehr müssen immer sämtliche Umstände des Einzelfalls berücksichtigt werden. Dazu zählen einerseits Interessen des Vermieters, andererseits Umstände auf der Mieterseite wie Umsatzeinbußen für das konkrete Objekt, staatliche Hilfen, sofern sie nicht auf Darlehensbasis erfolgen oder Versicherungsleistungen.
Im Falle einer pandemiebedingten Geschäftsschließung muss daher der Mieter darlegen und gegebenenfalls beweisen, welche Nachteile ihm aus der Betriebsschließung entstanden sind, die ihm eine vollständige Mietzahlung für diesen Zeitraum unzumutbar machen. Und welche zumutbaren Anstrengungen er unternommen hat, um drohende Verluste auszugleichen.
Das OLG Dresden hatte in pauschaler Betrachtungsweise entschieden, dass der Discounter nur etwa die Hälfte zahlen müsse. Der Bundesgerichtshof hob dieses Urteil auf, das Gericht in Dresden muss die Sache noch einmal verhandeln und dabei prüfen, welche konkreten wirtschaftlichen Auswirkungen die Geschäftsschließung in dem streitgegenständlichen Zeitraum für die Beklagte hatte und ob diese Nachteile ein Ausmaß erreicht haben, das eine Anpassung des Mietvertrags erforderlich macht.
Zu dem BGH-Urteil gibt es auch ein ausführliches GdW-Schreiben, das Sie im Mitgliederbereich unserer Website finden: https://www.vdwbayern.de/mitgliederbereich/downloads/gdw-informationen/