Wir hatten über den Beschluss des OLG Karlsruhe vom 26.3.2021 berichtet, wonach die Durchführung einer digitalen Vertreterversammlung unzulässig sei, sofern keine entsprechende Satzungsregelung vorhanden ist, da auch das sog. Covidmaßnahmengesetz (COVMG) zum Gesellschafts- und Genossenschaftsrecht eine solche Verfahrensart nicht vorsehe. Im zugrunde liegenden Fall war es um einen Verschmelzungsbeschluss nach dem Umwandlungsgesetz (§ 13 Abs.3 Satz 1 UmwG) gegangen. Das OLG Karlsruhe forderte, so wie die Vorinstanz auch, dass sich die Teilnehmer in physischer Anwesenheit persönlich treffen können.

Der Bundesgerichtshof hob diese Entscheidung nun auf und stellte klar, dass General- oder Vertreterversammlungen auch in virtueller Form stattfinden können. Dies selbst dann, wenn auf einer solchen Versammlung wichtige Beschlüsse, wie ein Verschmelzungsbeschluss nach dem Umwandlungsrecht, gefasst werden, in diesem speziellen Fall sogar bei zwingend erforderlicher Anwesenheit eines Notars zur Beurkundung. Das Umwandlungsrecht wolle sicherstellen, dass die Teilnehmer der Versammlung als Anteilseigner ausreichend informiert werden und eine Diskussion zur Meinungsbildung führen könne. Dieser Zweck, so der BGH in den Gründen seines Beschlusses, könne mit den heute bestehenden Möglichkeiten der Kommunikation, beispielsweise über Telefon oder Video, ebenso sichergestellt werden. Dies entspreche einer physischen Zusammenkunft der Anteilseigner, wenn die konkrete Ausgestaltung der Kommunikation eine vergleichbare Teilnahme der Anteilsinhaber und Durchführung der Versammlung wie bei einer physischen Präsenzveranstaltung ermöglicht. Das Beurkundungserfordernis könne, so der BGH weiter, bei einer rein virtuellen Versammlung dadurch gewahrt werden, dass der Notar für die Beurkundung am Aufenthaltsort des Versammlungsleiters zugegen sei, sich dort von dem ordnungsgemäßen Ablauf des Beschlussverfahrens überzeuge und sodann die Feststellung des Beschlussergebnisses durch das zuständige Gesellschaftsorgan beurkunde.

Ob in diesem Fall eines Umwandlungsvorgangs auch ein schriftliches Beschlussverfahren genügt hätte, ließ das Gericht offen. Dies bedurfte keiner Entscheidung, da im vorliegenden Fall ausschließlich ein digitales Verfahren gewählt worden war. Der Beschluss sei in einer „virtuellen“ Versammlung gefasst worden. Der BGH ging in seiner Entscheidung auch auf die Meinungsstreitigkeiten ein, die vor der nachträglichen Klarstellung des Bundesgesetzgebers vom 7.7.2021 zu dieser Frage bestanden hatten. Diese Frage, so der BGH, bedürfe keiner Entscheidung, da die Klarstellung durch den Bundesgesetzgeber mit ausdrücklich angesprochener Rückwirkung auf den März 2020 erfolgt sei: Für die Entscheidung über eine Rechtsbeschwerde sei das zum Zeitpunkt der Rechtsbeschwerdeentscheidung geltende Recht anzuwenden. Der Umwandlungsbeschluss war am 30.11.2020 gefasst worden.

Anmerkung

Die Entscheidung des BGH ist sehr zu begrüßen. Die durch den Beschluss des OLG Karlsruhe verursachte Rechtsunsicherheit war insbesondere vor dem Hintergrund eines dringenden Bedarfs der genossenschaftlichen Praxis an alternativen Versammlungsformen unerträglich. Auch wenn es im vorliegenden Fall um einen sehr speziellen Aspekt, die Verschmelzung, gegangen war, der sicherlich nicht zum Alltagsprogramm von General- oder Vertreterversammlungen gehört, so gelten die vom BGH angestellten Erwägungen natürlich erst recht für Versammlungen, die kein umwandlungsrechtliches Thema zum Inhalt haben. Festzuhalten ist somit, dass zumindest unter der Geltung des COVMG digitale oder schriftliche Versammlungen möglich sind, und zwar sowohl im Verlauf der Versammlung, wie auch in der Willensbildung (Beschlussfassung). Nur wenn ein umwandlungsrechtlicher Vorgang zu beschließen wäre, sollte man von der Durchführung eines schriftlichen Verfahrens eher Abstand nehmen. Mit Ablauf der Verlängerung des COVMG zum 31.08.2022 wäre für die Durchführung schriftlicher oder digitaler Verfahren dann unstreitig eine Satzungsgrundlage erforderlich.