Die 12. Bayerische Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (12. BayIfSMV) ist durch die Änderungsverordnung vom 16.04.2021 derzeit bis zum Ablauf des 09.05.2021 verlängert worden (§ 30 BayIfSMV). Inhalt dieser Verordnung sind u.a. die Kontaktbeschränkungen beim Zusammentreffen von Menschen (§ 4 BayIfSMV).
A. Hierzu werden drei Bereiche im Hinblick auf die vorlie- genden Inzidenzen (sog. „7-Tage-Inzidenz) eröffnet:
1) Im untersten Bereich, bei einer Inzidenz von bis zu 35, ist das Zusammentreffen von einem Hausstand mit den Angehörigen zweier weiterer Hausstände möglich, sofern eine Gesamtzahl von zehn Personen nicht überschritten wird.
2) Im mittleren Bereich, bei einer Inzidenz zwischen 35 und 100, ist das Zusammentreffen von einem Hausstand mit den Angehörigen eines weiteren Hausstands möglich, sofern eine Gesamtzahl von insgesamt fünf Personen nicht überschritten wird.
3) In der oberen Kategorie, bei einer Inzidenz von „mehr“ als 100, ist nur noch ein Zusammentreffen von den Angehörigen des
eigenen Hausstands mit einer weiteren Person zulässig.
Als Ausnahmen hiervon werden die folgenden Fallgruppen festgestellt:
Dies gilt nicht für „berufliche“ und „dienstliche“ Tätigkeiten sowie für „ehrenamtliche“ Tätigkeiten in Körperschaften und Anstalten des „öffentlichen“ Rechts, bei denen ein Zusammenwirken mehrerer Personen „zwingend erforderlich“ ist.
B. Anwendung in der Praxis der Gremiensitzungen:
Die erforderliche Lesart der obigen Regelung stellt sich wie folgt dar:
Die durch die Inzidenzgrenzen fixierten Bereiche gelten im Ausgangspunkt zuerst einmal für jedweden zwischenmenschlichen Kontakt. Eine gewisse Unschlüssigkeit besteht im Übrigen darin, dass das Erreichen genau des Inzidenzwertes von „100“ durch die vom Verordnungsgeber gewählte Normierung durch das Raster fällt („zwischen“ – „mehr“; es spricht jedoch viel dafür, dass der Inzidenzwert von „100“ noch in die oberste, und damit strengste Kategorie von Kontaktbeschränkungen fällt). Dies alles prägt dem Grunde nach auch die Kontakte, die sich im Rahmen von Gremiensitzungen abspielen. Übrigens sind hiervon auch Sitzungen betroffen, die im Freien auf privat genutzten Grundstücken abgehalten werden (gilt auch im Hinblick auf General- oder Vertreterversammlungen).
Ausnahme – „Beruf“: Vorstand und Geschäftsführer juristischer Personen
Eine Ausnahme hiervon wird gemacht für „berufliche“ Tätigkeiten, bei denen ein Zusammenwirken mehrerer Personen „zwingend erforderlich“ ist. Die Tätigkeit von Angehörigen von Geschäftsleitungsorganen in der eG oder GmbH kann, zumindest soweit diese haupt- oder nebenberuflich erfolgt, als „berufliche“ Tätigkeit gewertet werden. Ob die rein ehrenamtliche Betätigung in einem solchen Geschäftsleitungsorgan auch unter die Ausnahmevorschrift fällt, ist derzeit nicht geklärt. Es lassen sich nach der hier vertretenen Ansicht gute Gründe dafür finden, da es sich immerhin um die Leitungs- und Steuerungsaufgabe in einer juristischen Person handelt und es auch um die „Verwaltung“ von fremdem Vermögen geht (Treuhandsituation). Im Umkreis einer Geschäftsleitung oder -führung kann die persönliche Anwesenheit mehrerer Personen recht schnell erforderlich sein. Allerdings verbleibt, wie an vielen anderen Stellen der Pandemie-Rechtssetzungen auch, eine gewisse Rest-Unsicherheit. Diese wird in der Praxis wohl dadurch abgemildert, dass in den Geschäftsleitungsorganen in aller Regel zumindest eine nebenamtliche Tätigkeit entfaltet wird und keine rein ehrenamtliche. Eine rein ehrenamtliche Tätigkeit würde nämlich bedeuten, dass für den Einsatz im Organ der Geschäftsleitung überhaupt kein Entgelt gezahlt wird (auch kein niedriges oder „viel zu niedriges“), sondern nur der erforderliche und angemessene Auslagenersatz. „Dienstliche“ Tätigkeiten scheiden im vorliegenden Zusammenhang allerdings von vornherein aus, da hier nur der Status als Beamter gemeint ist.
Ausnahme – „Ehrenamt“: Aufsichtsrat der eG
Hier ist nur die ehrenamtliche Betätigung in Körperschaften oder Anstalten des „öffentlichen“ Rechts gemeint. Unternehmen, die in einer Rechtsform des Privatrechts organisiert sind, wie es bei der eG, GmbH, AG oder Stiftung sowie beim e.V. der Fall ist, fallen nicht hierunter. Die klare Zielsetzung des Verordnungsgebers ist es, das Zusammentreffen von Personen im Innenleben der populären Vereine (Sport-, Musik-, Trachten- oder ähnliche Vereine) zu verhindern. Der Einsatz dort spielt sich in den allermeisten Fällen ehrenamtlich ab. Die Mitglieder des Aufsichtsrats einer eG sind weit überwiegend ehrenamtlich tätig (z.B. Sitzungsgeld). Eine berufsmäßige
Tätigkeit wird man hier auch im Hinblick auf den Umfang des Einsatzes wohl kaum annehmen können. Daher erscheint die Versammlung des Aufsichtsrats einer eG unter Geltung der oben beschriebenen Kontaktbeschränkungen zum jetzigen Zeitpunkt als nicht ratsam. Auch die Hürde des zwingenden Erfordernisses für ein Zusammentreffen ist im Rahmen der juristischen Auslegung ausgesprochen hoch. Hier könnte den Handelnden vorgehalten werden, dass das Covid-Maßnahmengesetz immerhin zahlreiche Erleichterungen für die Gremiensitzungen zur Verfügung stellt (schriftliche oder virtuelle Beschlussfassungen).
Ausnahme – „Ehrenamt“: Aufsichtsrat der GmbH, Stiftung und eines Zweckverbandes
Für den Aufsichtsrat einer privat gehaltenen GmbH gilt das zur eG Ausgeführte. Aber auch eine kommunale GmbH stellt eine Rechtsform des privaten Rechts dar. Inwieweit man hier etwas anderes deshalb annehmen könnte, weil die Aufsichtsratsmitglieder in aller Regel Stadt- oder Gemeinderatsmitglieder sind, und insoweit einen öffentlich-rechtlichen Hintergrund haben, ist derzeit in Literatur und Rechtsprechung nicht geklärt und auf Grund der relativen „Neuheit“ der Thematik wohl auch nicht „schnell“ rechtssicher zu klären. Zwar sind diese in ihrer Eigenschaft als öffentlich-rechtliche Mandatsträger im Aufsichtsrat der zivilrechtlichen GmbH tätig. Aber die Rechtsform GmbH ist eben dem Zivilrecht zugehörig und damit möglicherweise auch die in diesem Zusammenhang stehenden Tätigkeiten. Dies wird man zumindest sicherheitshalber auch auf eine GmbH übertragen können, die sich in staatlicher Hand befindet, obwohl hier oftmals Beamte im Aufsichtsrat agieren, und daher ein direkter „dienstlicher“ Aspekt gegeben sein kann. Sofern eine Stiftung in privater Rechtsform organisiert ist, gilt das oben Ausgeführte ebenfalls. Ein Zweckverband zählt demgegenüber schon seiner Natur nach zu den juristischen Personen des öffentlichen Rechts. Hier ließe sich zumindest dem Wortlaut nach ein Ausnahmefall annehmen, da schon die Körperschaft, in welcher die Tätigkeit der Aufsichtsgremien stattfindet, öffentlich-rechtlich ist.
Fazit:
Es ist zum jetzigen Zeitpunkt jedenfalls nicht dazu zu raten, Aufsichtsratssitzungen oder Versammlungen überhaupt in Präsenzform abzuhalten. Dies kann auch für die Fälle angenommen werden, in denen möglicherweise ein Argumentationsspielraum vorhanden zu sein scheint. Die persönliche Sicherheit ist ein weiterer Aspekt hierbei. Das COVMG gibt hierfür zudem Lösungswege an die Hand, die zumindest für Geschäftsleitungs- oder Aufsichtsorgane gangbar sind, und die in einem rechtlichen Streit dazu führen könnten, dass ein „zwingendes Erfordernis“ für ein Präsenztreffen später zumindest in Zweifel gezogen wird.
Man könnte im Einzelfall auch versuchen, bei der zuständigen Ordnungsbehörde (z.B. kreisfreie Stadt oder Landratsamt) eine Ausnahmegenehmigung zu erwirken. Hier wird man aber nach unseren Erfahrungen eher mit einer sehr restriktiven Auslegung der dargestellten Bestimmungen aus der Verordnung rechnen müssen. Seit kurzem sind auch die Bestimmungen des Infektionsschutzgesetzes des Bundes zu beachten.