BGH, Urteil vom 11.11.2020, Az.: VIII ZR 369/18

Die Kläger sind seit dem Jahr 2016 Mieter einer 85,65 m² großen Wohnung der Beklagten in Berlin. Die vertraglich vereinbarte Nettokaltmiete beträgt 1.199 Euro (= 13,99 €/m²). Mit dem Vormieter war eine Nettokaltmiete von 485 Euro vereinbart. Während des Wohnungsleerstands vor der Vermietung an die Kläger ließ die Beklagte umfangreiche Arbeiten an der Wohnung durchführen. So wurden die Elektrik erneuert, die vormals über dem Putz gelegenen Heizungsrohre in den Fußboden verlegt sowie in Küche und Bad Fliesen und in den übrigen Räumen Parkett verlegt; schließlich wurden die sanitären Anlagen im Bad erneuert, und (erstmals) eine Küche eingebaut.

Die Kläger rügten gegenüber der Beklagten hinsichtlich der vermieteten Wohnung einen Verstoß gegen die Vorschriften zur Begrenzung der Miethöhe (§§ 556d ff. BGB), da die Nettokaltmiete zu Beginn des Mietverhältnisses die – bei Annahme einer ortsüblichen Vergleichsmiete von 748,58 Euro (= 8,74 €/m2) – zulässige Höchstmiete gemäß § 556d BGB um mehr als 10% überschritten habe. Die Kläger verlangten in dem genannten Schreiben außerdem Auskunft über die aufgewandten „Sanierungskosten”, um überprüfen zu können, ob die vereinbarte höhere Miete durch diese gerechtfertigt sein könnte, und kündigten die Fortzahlung der vollständigen Miete unter dem Vorbehalt der Rückforderung an.

Die Kläger klagen auf Rückzahlung eines nach ihrer Auffassung die zulässige Höchstmiete übersteigenden Betrags nebst Zinsen; darüber hinaus begehren sie die Feststellung, eine über den nach § 556d Abs. 1 BGB zulässigen Betrag hinausgehende Miete nicht zu schulden. Vor dem Amts- und Landgericht haben sie keinen Erfolg, die zugelassene Revision beim BGH ist indes erfolgreich:

Nach § 556g Abs. 1 Satz 3 BGB hat der Vermieter zu viel gezahlte Miete nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung herauszugeben. Der Mieter kann eine nach den §§ 556d, 556e BGB nicht geschuldete Miete (nur) zurückverlangen, wenn er einen Verstoß gegen die Vorschriften dieses Unterkapitels gerügt hat und die zurückverlangte Miete nach Zugang der Rüge fällig geworden ist (§ 556g Abs. 2 BGB aF). Gemäß § 556f Satz 2 BGB sind die §§ 556d und 556e BGB allerdings nicht anzuwenden auf die erste Vermietung nach umfassender Modernisierung. Der BGH geht vorliegend von einer umfassenden Modernisierung aus und begründet dies wie folgt:

Eine Modernisierung von Wohnraum ist umfassend im Sinne des § 556f Satz 2 BGB, wenn sie einen Umfang aufweist, der eine Gleichstellung mit einem Neubau gerechtfertigt erscheinen lässt. Dies ist dann der Fall, wenn die Modernisierung

a) einerseits im Hinblick auf die hierfür angefallenen Kosten einen wesentlichen Bauaufwand erfordert und

b) andererseits wegen der mit ihrem tatsächlichen Umfang einhergehenden qualitativen Auswirkungen zu einem Zustand der Wohnung führt, der demjenigen eines Neubaus in wesentlichen Teilen entspricht.

Beide Prüfungskriterien sind dabei von grundsätzlich gleichem Gewicht.

zu a)
Ein im Rahmen des § 556f Satz 2 BGB zu prüfender wesentlicher Bauaufwand liegt vor, wenn er (mindestens) ein Drittel des für eine vergleichbare Neubauwohnung erforderlichen finanziellen Aufwands – ohne Grundstücksanteil – erreicht. Da die Neubaukosten in der Bundesrepublik Deutschland von Region zu Region stark differieren können, ist auf aussagekräftige aktuelle Zahlen – etwa statistische Erhebungen des Bauhandwerks – der jeweiligen Region, in der die in Rede stehende Wohnung gelegen ist, oder einer von der Bevölkerungsstruktur und der Wirtschaftskraft hierzu vergleichbaren Region abzustellen.
In die Berechnung des wesentlichen Bauaufwands dürfen lediglich Kosten einfließen, die aufgrund von Modernisierungsmaßnahmen im Sinne des § 555b BGB angefallen sind. Kosten für (reine) Erhaltungsmaßnahmen im Sinne des § 555a Abs. 1 BGB zählen hierzu nicht. Werden im Zuge der Durchführung von Modernisierungsmaßnahmen im Sinne des § 555b BGB Erhaltungsmaßnahmen im Sinne des § 555a Abs. 1 BGB miterledigt, ist bei der im Rahmen des § 556f Satz 2 BGB erforderlichen Bestimmung des wesentlichen Bauaufwands ein (zeitanteiliger) Abzug der angefallenen Kosten insoweit vorzunehmen, als Bauteile oder Einrichtungen der Wohnung, die zwar noch nicht mangelhaft, aber bereits über einen erheblichen Anteil ihrer Lebensdauer (ab)genutzt sind, durch solche von besserer Qualität ersetzt werden.

Bei der Prüfung der qualitativen Auswirkungen der Modernisierungsmaßnahmen, ist von maßgebender Bedeutung, ob die Wohnung durch die Arbeiten in mehreren – nicht notwendig allen – wesentlichen Bereichen (insbesondere Heizung, Sanitär, Fenster, Fußböden, Elektroinstallationen beziehungsweise energetische Eigenschaften) so verbessert wurde, dass die Gleichstellung mit einem Neubau gerechtfertigt ist. Unter Anwendung dieser Anforderungen ging der BGH im vorliegenden Fall von einer umfassenden Modernisierung aus, so dass die Ausnahmeregelung von der Mietpreisbremse einschlägig war.

Hinweis:
Das vorliegende Urteil ist zur Mietpreisbremse in der bis 31.3.2020 geltenden und dann verlängerten und verschärften Fassung ergangen. Bis dahin galt, dass gem. § 556g Abs. 2 BGB, der Mieter bei Verstößen gegen die Mietpreisbremse die Miete nur zurückfordern konnte, wenn er einen Verstoß gerügt hatte und die zurück geforderte Miete nach Zugang der Rüge fällig wurde. Bei Neuvermietungen ab 1.4.2020 kann der Mieter innerhalb eines Zeitraums von 30 Monaten nach Beginn des Mietverhältnisses einen Verstoß gegen die Regelungen der Mietpreisbremse rügen und die ab Vertragsschluss zu viel gezahlte Miete zurückverlangen. Nur wenn der Mieter den Verstoß später als 30 Monate nach Beginn des Mietverhältnisses rügt oder das Mietverhältnis bei Zugang der Rüge bereits beendet war, kann der Mieter weiterhin nur die nach Zugang der Rüge fällig gewordene Miete zurückverlangen. Über die Frage zum Zeitraum der Rückforderung war vorliegend aber nicht zu entscheiden gewesen, da der BGH bereits dem Grunde nach einen Rückforderungsanspruch wegen der durchgeführten Modernisierung verneinte.