Der General- oder Vertreterversammlung im Genossenschaftswesen (nachfolgend „Versammlung“) kommt eine zentrale Funktion zu, werden doch die Mitglieder und ggf. Vertreter erst dadurch zum rechtswirksamen und handlungsfähigen Gesellschaftsorgan, indem sie sich in ihr zusammenfinden. Umso schwerer ist es dem Leitungsorgan Vorstand bzw. dem Überwachungs- und Förderorgan Aufsichtsrat dieses Jahr in vielen Fällen gefallen, wegen der Verordnungslage in Bayern auf eine Durchführung der Versammlung in Präsenzform zu verzichten. Auch wenn das Gesetz zur Milderung der Folgen von Corona im Zivilrecht (COVFAG) hierfür durch die Verlängerung von Organmandaten bis zur nächsten Versammlung und die Möglichkeit, den Jahresabschluss durch den Aufsichtsrat feststellen zu lassen, einen gewissen Spielraum eröffnet hat. Dass es damit nicht dauerhaft sein Bewenden haben kann ist klar, denn die weiteren Kernbeschlüsse wie eine Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat oder Beschlüsse zur Gewinnverwendung- bzw. Verlustdeckung lassen sich nicht beliebig auf die Folgejahre hinausschieben. Irgendwann müssen diese Beschlüsse wieder gefasst werden – sei es in Präsenzveranstaltungen, in schriftlichen Verfahren oder in virtuellen Versammlungen, für welche das COVFAG gleichfalls Möglichkeiten eröffnet hat, ohne dass dies in der Satzung geregelt ist.

Beabsichtigen Genossenschaften jedoch, im Jahr 2021 wieder in Präsenzform eine oder mehrere Versammlungen durchzuführen, stellt sich die Frage, wie dies technisch am besten bewerkstelligt werden kann: durch Versammlungen an zwei gesonderten Tagen, durch zwei getrennte Versammlungen an einem Tag oder durch eine zusammengefasste einheitliche Versammlung an einem Tag. Den Vorteilen und Nachteilen dieser unterschiedlichen Optionen wollen wir uns nachfolgend kurz widmen.

1. Zwei Versammlungen an getrennten Tagen

Vorteil ist, dass Vorstand oder Aufsichtsrat sehr rasch reagieren können, wenn die dann gültige Bayerische Infektionsschutz-Maßnahmenverordnung die Ausübung des Rechtes auf Versammlungsfreiheit wieder in größerem Maße zulässt. Die Beschlüsse über das Geschäftsjahr 2019 sind bereits jetzt entscheidungsreif, die eigentlich für 2020 vorgesehene Versammlung lässt sich unter Beachtung der Ladungsform und -frist relativ kurzfristig anberaumen und danach ist der der Druck, in 2021 ordnungsgemäß Versammlungen zustande bringen zu wollen, gemildert. Nachteil sind neben der Zumutbarkeit mehrerer Versammlungen für die Mitglieder der doppelte Verwaltungsaufwand und ggf. doppelt anfallende Kosten der Saalmiete und der Bekanntmachung der Einladung zur Versammlung im Veröffentlichungsorgan der Genossenschaft.

2. Zwei getrennte Versammlungen an einem Tag

Formal gesehen ergeben sich zwei separate Versammlungen, wenn hierfür gesonderte Einladungen und Tagesordnungen bekannt gegeben werden und der Versammlungsleiter die Versammlung jeweils getrennt eröffnet und schließt – was gegenüber der verbundenen Versammlung einen zeitlichen und administrativen Mehraufwand nach sich zieht.

Gleichzeitig ist auf eine ausreichende Pause zwischen dem Ende der ersten und dem Beginn der zweiten Versammlung zu achten. Ohne diese Pause wird der Beginn der zweiten Versammlung nur schwer exakt festzulegen sein, da sich die erste Versammlung – etwa durch Diskussionen und Fragen der Mitglieder – im zeitlichen Ablauf hinausziehen kann. Tag und Stunde des Beginns jeder Versammlung müssen jedoch in der Einladung angegeben werden, da andernfalls ein die Nichtigkeit von Beschlüssen auslösender Verstoß gegen § 241 Nr. 1 AktG vorliegt – wobei eine Verzögerung des Beginns der zweiten Versammlung in angemessenem Umfang hingenommen werden kann. Gleichzeitig darf die Pause nicht verkürzt und damit der Beginn der zweiten Versammlung vorverlegt werden, da sich andernfalls Anfechtungs- oder gar Nichtigkeitsrisiken wegen einer Verletzung des Teilnahmerechtes der Mitglieder ergeben können.

Weitere Fehlerquelle ist, dass der Versammlungsleiter die Versammlung mit Aussprachen und Beschlüssen zur Tagesordnung der jeweils anderen Versammlung befasst – was gleichfalls zur Nichtigkeit von Beschlüssen führt. Ist die erste Versammlung einmal geschlossen, ist eine Wiedereröffnung grundsätzlich nicht mehr möglich, da ein Mitglied nach Schließung der Generalversammlung darauf vertrauen darf, dass die Versammlung tatsächlich zu Ende ist, so dass es sich ohne weiteres entfernen kann. Lediglich dann, wenn noch alle Mitglieder anwesend sind, kann die Generalversammlung die Fortsetzung der ersten Versammlung beschließen, da insoweit schutzwürdige Belange der Mitglieder nicht beeinträchtigt sind.

3. Zusammengefasste einheitliche Versammlung

Entscheidend ist, dass durch eine verbundene Versammlung keine Mitgliederrechte (Teilnahme-, Rede-, Auskunfts-, Antrags- bzw. Vorschlags- sowie Stimmrecht) verletzt oder verkürzt werden dürfen. Nachteil einer zusammengefassten Versammlung ist, dass die Mitglieder nicht gesondert über eine Teilnahme entscheiden können und dass sich eine deutlich längere Versammlungsdauer als üblich ergeben kann. Insoweit darf eine Versammlung in den Abendstunden nicht so lange dauern, dass man von der Abhaltung zu einer – gerade für ältere Mitglieder – unzumutbaren Zeit ausgehen muss.

Zudem muss das Mitglied anhand der form- und fristgerechten Einladung und der Tagesordnung klar erkennen können, welche Beschlussgegenstände in der Versammlung zu welchem Wirtschaftsjahr abgehandelt werden. Ein Bezug zu dem jeweiligen Wirtschaftsjahr muss sich sowohl anhand der Überschrift der Einladung als auch anhand des Textes des jeweiligen Tagesordnungspunktes eindeutig ergeben, da andernfalls eine nicht ausreichende Ankündigung der Gegenstände der Beschlussfassung mit der Folge der Anfechtbarkeit von Beschlüssen vorliegt. Unzulässig wäre auch, einzelne Tagesordnungspunkte aus unterschiedlichen Jahren zusammenzufassen, bei welchen das Mitglied unterschiedlich entscheiden kann – so z.B. bei einem Beschluss über die Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat.

Zudem muss die Befassung mit den Beschlussgegenständen in einer Reihenfolge erfolgen, die eine sachgerechte Entscheidung des Mitglieds ermöglicht. Stehen Beschlussgegenstände in einem inneren Zusammenhang, so ist ein Beschlussgegenstand, der die Basis für einen anderen bildet, zeitlich zuerst abzuhandeln.

Fazit:

Gegen zwei Versammlungen an unterschiedlichen Tagen sprechen letztlich der größere Verwaltungsaufwand und höhere Kosten. Dieser Aufwand ist bei zwei Versammlungen an einem Tag etwas niedriger, hier ist jedoch auf eine gewissenhafte Zeitplanung und klare Trennung zwischen den Versammlungen zu achten. Will die Genossenschaft ihren Aufwand weiter minimieren, so spricht gegen eine zusammengefasste einheitliche Versammlung grundsätzlich nichts. Hierbei sind jedoch die Mitgliederrechte durch präzise Formulierungen der Einladung zur Versammlung, der Tagesordnung und der Beschlüsse sowie eine logische zeitliche Abfolge strikt zu wahren. Gleichzeitig haben Genossenschaften wegen der Verlängerung der Geltungsdauer des COVFAG auch im Jahr 2021 noch die Möglichkeit, ihre Beschlüsse in schriftlicher oder virtueller Form zu fassen, ohne dass es hierfür einer Satzungsregelung bedarf. Hier fällt zwar das wichtige soziale Element einer Versammlung in Präsenzform weg, die Erfahrungen einiger Genossenschaften mit dem Ausweichen auf diese Form der Beschlussfassung sind aber durchwegs positiv.